FT-CI

Aufruf der Trotzkistischen Fraktion und unabhängigen Studierenden

Wir zahlen nicht für Eure Krise - Auf zum Bildungstreik 2009!

18/06/2009

Während deutsche und europäische Banken durch Milliardenpakete gerettet werden, wird im Bildungswesen weiterhin stetig gekürzt. Stattdessen soll durch Studiengebühren und die Privatisierung des Sektors Bildung nur für eine „exzellente“ Elite zugänglich sein. Aber nicht nur in unseren Universitäten und Schulen wird gekürzt: Die Weltwirschtaftskrise wird vor allem auch auf dem Rücken der ArbeiterInnen ausgetragen, die in vielen Betrieben Deutschlands und der Welt von Kurzarbeit und Entlassung bedroht sind.
Diese sich immer weiter verschärfende Ausbeutungsspirale zeigt sich in den Angriffen auf Studierende, die sich nicht nur der Einführung von Studiengebühren, sondern auch der Restrukturierung der Studiengänge und der Anpassung an die Erfordernisse der Wirtschaft ausgesetzt sehen.
Privatisierungswellen: Die Rolle der Bourgeoisie im Bildungssystem
Im deutschen Bildungssystem haben Kinder von Reichen und AkademikerInnen große Vorteile, während Jugendliche aus Arbeiter- und Migrantenfamilien kaum die Chance haben, auf Hochschulen zu gelangen. Doch selbst diejenigen, die studieren können, unterliegen immer weiter anwachsenden Zwängen, indem durch internationale Abkommen, wie dem Bolognaprozess, das Bildungssystem nach kapitalistischen Interessen organisiert wird.
Das „Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ (GATS, General Agreement on Trade in Services), ein Vertragswerk der „Welthandelsorganisation“ (WTO, World Trade Organization), soll den Handel mit Dienstleistungen weltweit liberalisieren und handelsbehindernde Regulierungen abbauen. Der Abbau dieser Regulierungen geht jedoch mit dem Verlust sozialer Sicherungen einher. Im Jahr 2000 Begann die Neuverhandlung des GATS. Neben dem grenzüberschreitenden liberalisierten Handel mit Dienstleistungen im privaten Bereich geht es nun auch um die Einbeziehung von bisher vorwiegend staatlich geleisteten Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung.
Mit dem Prinzip der „Marktöffnung“ wird dafür Sorge getragen, dass BildungsanbieterInnen unbeschränkt Dienstleistungen auf den Markt bringen und Tochterunternehmen oder Filialen in anderen ländern gründen können. Dabei werden alle Unternehmen, inländische wie ausländische, gleichgestellt, so dass staatliche Zuschüsse nur noch dann möglich sind, wenn sie alle AnbieterInnen bekommen, egal ob transnationaler Bildungskonzern oder Dorfschule. Bildungseinrichtungen, die nicht auf Profit ausgelegt sind, wird es dann kaum noch geben, während profitorientierte nur ihrem eigenen Kapital gegenüber verpflichtet sind, nicht etwa sozialen Standards. Dies führt unweigerlich zur sozialen Auslese im Bildungsbereich, d.h. schlechtere und geringere Bildung für Kinder aus Arbeiter- und Migrantenfamilien und Elitenförderung für Minderheiten.
Im Bereich des Schulwesens ist diese Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten. Anders sieht es jedoch beim seit 20 Jahren strukturell unterfinanzierten Hochschulsystem aus, das die Mehrheit der Studierenden mit billigen Kurzstudiengängen („Bachelor“) abzuspeisen gedenkt. Seit etwa Mitte der 1980er Jahre erhalten die deutschen Hochschulen bei ständig wachsenden Studierendenzahlen finanzielle Zuwächse nur noch selektiv für ausgewählte Bereiche der Forschungsförderung (sog. „Drittmittel“), die nur einem Bruchteil der ca. 350 Hochschulen zugute kommen. Finanzierung für Studium und Lehre wurde im Wesentlichen eingefroren. Hier knüpft die Idee einer Elite an, die mit der Förderung einer Minderheit ihre eigenen Voraussetzungen schafft. Die Zeichen der Zeit erkannte das Bertelsmann-Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das sich als „unabhängiges“ Kompetenzzentrum und „Denkhilfe für Politiker[Innen]“ versteht. Jedoch gilt es dessen Unabhängigkeit auf Grund gezielter Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Politik zu bezweifeln.
Bertelsmann hat erkannt: bei der Privatisierung des Hochschulwesens handelt es sich nicht nur um bloßes Marktpotential, sondern um direkte Einflussnahme auf die Köpfe lebender Menschen. Privatisierungen folgen dabei oft demselben Schema. Durch Sparzwang und „knappe“ Finanzen wird eine Situation heraufbeschworen, die eine Kritik des Bestehenden zur Folge hat. Diese Kritik wird von externen „unabhängigen“ ExpertInnen, mittels Leistungsvergleichen und Rankings, gefällt. Zur „Rettung“ der Lage werden „Verschlankungen“ und Bürokratieabbau bei gleichzeitiger Stärkung der Leitungsebene beworben und durchgeführt. Die nötige Medienkampagne wird bei Bertelsmann vom hauseigenen Apparat initiiert (der Gruner + Jahr Zeitschriftenverlag und die RTL-Group gehören zum Bertelsmann-Konzern). Es erfolgen Modularisierungen, Zuständigkeit-verlagerungen und am Ende eine Kette von Privatisierungen. Auf diese Art und Weise wird das Zwei-Klassen-Hochschulsystem vorangetrieben und gefestigt.

Die Uni als Mikrokosmos der bürgerlichen Demokratie

Durch die Privatisierungswellen offenbart sich die eigentliche Funktion der Universität im Kapitalismus: Sie ist ein Ort der gesellschaftlichen Wissensakkumulation, genauso wie Betriebe ein Ort der Akkumulation gesellschaftlichen Reichtums sind. Diesen Reichtum jedoch, sowohl auf Produktionsebene als auch auf Wissensebene, halten nicht diejenigen inne, die ihn generiert haben, sondern eine verschwindend kleine Anzahl von Kapitalisten, dieder Masse der ArbeiterInnen oder Studierenden gegenübersteht. Dies bedeutet, dass was und wie an der Universität gelehrt und gelernt wird weder den Interessen der Studierenden entspricht, noch im Interesse derjenigen, die unsere Gesellschaft aufrechterhalten, nämlich der Arbeiterklasse, eingesetzt wird. Vielmehr ist die Universität immer mehr eine „Kaderschmiede“ der Bourgeoisie.
Auch das Studierendenparlament funktioniert nach dem Muster der bürgerlichen Demokratie: Wir wählen „VertreterInnen“, die nach Lust und Laune regieren und erst nach einem oder mehreren Jahren wieder abgewählt werden können. Letztendlich hat das Parlament wenig Einfluss, die eigentlichen Entscheidungen der Universitätspolitik werden hinter den Kulissen getroffen, von staatlichen Bürokratien und (wie oben beschrieben) privaten Firmen. Somit wird das Studierendenparlament zu einer Art Verwalter der bürgerlichen Interessen an der Hochschule, ähnlich wie das Bundesparlament für die Gesamtgesellschaft.
Auch der Ìberwachungswahn der Herrschenden in dieser Gesellschaft als ein Ausdruck vieler Repressionsmechanismen wird täglich größer. Diese gesamtgesell-schaftliche Tendenz zeigt sich auch an unseren Universitäten: Teilnehmerlisten und Campus Management Systeme sind nicht nur Instrumente zur „besseren Planung“ des Studiums, sondern vor allem Werkzeuge zur ständigen Ìberwachung der Studierenden. Freies und kritisches Lernen und Forschen wird dadurch immer schwieriger.
Nur wir Studierende selbst können am besten wissen, was und wie studiert werden soll. Dies ist ähnlich in den Arbeiterreihen: wer sollte besser wissen, was wie produziert werden kann und muss als diejenigen, die alltäglich ihre Arbeitskraft an den Produktionsmitteln verkaufen?
Selbstbestimmtes Lernen und selbstbestimmtes Produzieren wären die einzige Möglichkeit, unsere Gesellschaft wirklich nach unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen aufzubauen.

Abwehrkämpfe der Studierenden

Für diese Selbstbestimmung im Bildungsbereich, gegen den Bolognaprozess und die beschriebene zunehmende Privatisierung haben sich überall in Europa wichtige Studentenproteste entwickelt. Auch in Deutschland konnte der Kampf gegen Studiengebühren einige Teilerfolge vorweisen und hat sich teilweise radikalisiert. Heute gilt es dort anzuknüpfen und im bundesweiten Bildungsstreik für folgende Forderungen einzustehen:

· Selbstbestimmtes Lernen und Leben statt starrem Zeitrahmen, Leistungsdruck und Konkurrenzdruck!

· Freier Bildungszugang und Abschaffung von sämtlichen Bildungsgebühren wie Studiengebühren, Ausbil-dungsgebühren und Kita-Gebühren!

· Öffentliche Finanzierung des Bildungssystems ohne Einflussnahme der Wirtschaft unter anderem auf Lehrinhalte, Studienstruk-turen und Stellenvergabe!

· Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen!

Die weltweise Krise des Kapitalismus und die damit einhergehenden Kürzungswellen sowohl im Bildungsbereich als auch für die Arbeiterklasse machen einen starken Abwehrkampf gegen die Krisenverursacher notwendig, und da Studierende alleine wenig wirtschaftlichen Druck erzeugen können, ist der Zusammenhalt zwischen Studierenden und der Arbeiterbewegung sehr wichtig. Wir brauchen gemeinsame Proteste mit SchülerInnen, ArbeiterInnen und MigrantInnen, um mit gebündelter Kraft gegen die Angriffe der Kapitalisten vorzugehen.
Die Klassenantwort: Streik, Besetzung, Selbstverwaltung
Wir dürfen jedoch nicht der Illusion verfallen, dass durch Verbesserungen im Bildungssystem, die Abschaffung von Studiengebühren oder vereinzelten Erfolgen das Ziel bereits erreicht sei. Auch „wohlwollendere“ Regierungen oder Oppositionsparteien wie Die Linke können in diesen Krisenzeiten ihre leeren Versprechungen über eine sozialere Gesellschaft nicht einhalten und werden letztendlich (wie die Landesregierung in Berlin zeigt) uns keine wahrhafte Perspektive aufzeigen können, da sie am System des Kapitalismus festhalten.
Und in diesem System können wir nur einzelne Verbesserungen erkämpfen, welche jedoch immer nur von kurzer Dauer sein werden. Um uns gegen die Bildungsmisere zu wehren, müssen wir unsere Universitäten besetzen, uns in Selbstverwaltungsorganen organisieren und ein eigenes Bildungsprogramm entwickeln. Genauso könnten ArbeiterInnen, die von Entlassungen oder Lohnkürzungen bedroht sind, ihren Betrieb besetzen und die Produktion unter Eigenkontrolle weiterführen. Dies wäre die notwendige Klassenantwort, um einen wichtigen Schritt dahin zu gehen, wirklich nach unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen zu lehren, zu lernen, zu produzieren und zu leben.
Wir als Studierende müssen uns also dafür einsetzen, dass die Universität im Dienste derjenigen Klasse steht, die den gesellschaftlichen Reichtum generiert und uns somit den Protesten der Arbeiterbewegung anschließen, sie unterstützen, vorantreiben und radikalisieren.

Wir zahlen nicht für Eure Krise!
Für eine freie Bildung im Dienste der Arbeiterklasse!

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