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Kuba: Die kapitalistische Restauration schreitet voran
von : Diego Dalai

13 May 2014 | Die castristische Bürokratie hat einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Restauration des Kapitalismus gemacht. Dabei hat sie einen Diskurs, die Wirtschaft des Landes „voranzubringen“, die „nationale Souveränität“ zu verteidigen und „niemals zur Vergangenheit zurückzukehren“. Außerdem wird versichert, dass das Wirtschaftssystem des „sozialistischen (...)
Kuba: Die kapitalistische Restauration schreitet voran

Die castristische Bürokratie hat einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Restauration des Kapitalismus gemacht. Dabei hat sie einen Diskurs, die Wirtschaft des Landes „voranzubringen“, die „nationale Souveränität“ zu verteidigen und „niemals zur Vergangenheit zurückzukehren“. Außerdem wird versichert, dass das Wirtschaftssystem des „sozialistischen Kubas“ weiterhin auf dem „Besitz der gesamten Bevölkerung“ basieren wird. Auf „Vorschlag“ des Staatsrats (dem höchsten Regierungsorgan) stimmte das Nationale Parlament (für das nur StaatsbürgerInnen kandidieren dürfen, die von der KP Kubas und den „Massen-Institutionen“, die sie kontrolliert, unterstützt werden) einstimmig für das neue Gesetz über Auslandsinvestitionen. Es ersetzt das Gesetz von 1995, das in der sogenannten „Sonderperiode“ verabschiedet wurde.

Im Unterschied zu anderen Gesetzen, die durch breite „Debatten“ in zehntausenden „Versammlungen“ gingen (wie das kürzlich angenommene Arbeitsgesetz oder die Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik von 2010), wurde der Entwurf nicht veröffentlicht, geschweige denn in einer anderen Instanz diskutiert. Denn es handelt sich um eine wirkliche „Staatsfrage“, ein Schlüsselelement für das Projekt der Bürokratie zur „Erneuerung des Wirtschaftsmodells“, von dem erst jetzt, nach der Verabschiedung, Details bekannt werden. Es stellt den eindeutigsten Schritt der letzten Jahrzehnte zur kapitalistischen Restauration unter Führung der KP Kubas dar.
Verbindung mit dem ausländischen Kapital

Das neue Gesetz hat das erklärte Ziel, direkte Investitionen von ausländischem Kapital anzuziehen; spekuliert wird über Summen von 2 bis 2,5 Milliarden Dollar jährlich. Dafür sollen die Zugeständnisse, die das Gesetz von 1995 machte, ausgeweitet und vertieft sowie dem Kapital große Vorteile und Garantien eingeräumt werden. Die Steuern auf die Profite werden von 30 auf 15 Prozent gesenkt und darauf nochmal Zahlungsaufschübe von mehreren Jahren gewährt. Die Steuern auf die Einstellung von Arbeitskräften, die vorher bei 20 Prozent des Gehalts lagen, werden gestrichen. Die Unverletzbarkeit des Eigentums investierender Unternehmen wird garantiert, von einem nationalen Notfall abgesehen, der dann mit entsprechenden Entschädigungszahlungen einhergeht. Die Bereiche, die für Auslandsinvestitionen offen sind, werden vom Tourismus, dem Bergbau und der Ölförderung auf die gesamte kubanische Wirtschaft ausgedehnt, ausgenommen das Gesundheits- und Bildungssystem sowie die Verteidigung. Der freie Im- und Export ohne staatlichen Eingriff wird garantiert, wodurch die staatliche Kontrolle des Außenhandels endgültig zerstört wird.

Der vollständige Gesetzestext ist noch nicht bekannt, und eine konkrete Umsetzung ist abzuwarten. Doch alles deutet darauf hin, dass die Ansiedlung von Unternehmen, die zu 100 Prozent ausländischem Kapital gehören, ebenfalls erlaubt werden soll. Diese Möglichkeit existierte schon im Gesetz von 1995, wurde aber nie angewandt; In den 90er Jahren dehnte sich stattdessen das Modell der „empresas mixtas“ oder „joint ventures“ aus, also Mischunternehmen, die zu 51 Prozent dem Staat gehören. Insbesondere werden starke Investitionen in die kubanische Landwirtschaft erwartet. In diesem Sektor besitzt Brasilien schon wichtige Anlagen, die sich ausdehnen, wie bei Soja, Milch, Geflügel und anderen Lebensmittelbereichen, wo Kuba trotz der Reformen der letzten Jahre eine sehr niedrige Produktivität aufweist und 80 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren muss.

Ein Schlüsselelement des Projekts und ein Anzeichen dessen, was kommen wird, ist der neue Tiefseehafen von El Mariel. Er befindet sich 50 Kilometer von Havanna entfernt und benötigte eine Investition von 850 Millionen Dollar, die hauptsächlich aus Brasilien kam (75 Prozent stammen von der Brasilianischen Entwicklungsbank BNDES, der Rest vom kubanischen Staat). Dieser Hafen liegt am Eingang zum Golf von Mexiko und nah am Panama-Kanal (der gerade ausgebaut wird) und wird das Kopfstück einer Freihandelszone sein, die vollständig vom Singapurer Hafenbetreiber PSA International kontrolliert wird. Damit soll das chinesische Modell kopiert werden, wo in den 70er Jahren Freihandelszonen dieser Art eröffnet und in den 90er Jahren verallgemeinert wurden. Sie bildeten die Grundlage der kapitalistischen Restauration des asiatischen Riesen. Auf jeden Fall zielt El Mariel darauf ab, sich in einen wichtigen Handels- und Industriestandort frei von Steuern für ausländische Kapitale zu verwandeln, die die billige und qualifizierte kubanische Arbeitskraft ausbeuten können.
Die Bürokratie behält ihre Macht und dehnt ihre Geschäfte aus

Ein weiterer zentraler Aspekt des neuen Gesetzes ist die Möglichkeit für „natürliche juristische Personen“, d.h. kubanische Firmen oder Institutionen (seien sie auf kubanischem Boden oder nicht) an ausländischen Investitionen teilzunehmen. Das eröffnet Tür und Tor für Investitionen der mächtigen „exilkubanischen“ UnternehmerInnen, hauptsächlich aus Miami. Sie festigen seit letztem Jahr ihre Beziehungen zur Insel, nach der Reform des kubanischen Migrationsgesetzes im Januar 2013.

Aber das Projekt der Bürokratie ist es, selbst den Prozess der Restauration anzuführen, indem sie die politische Macht und das Ein-Parteien-Regime beibehält, ähnlich dem Restaurationsprozess in China oder Vietnam. So hat es seit dem Amtsantritt Raúl Castros im Jahr 2006, neben der Entlassung von rechten politischen DissidentInnen aus dem Gefängnis als Geste zur Verbesserung der Beziehungen zu den US-amerikanischen und europäischen Imperialismen, keine politischen Reformen gegeben. Im Gegenteil wurde eine bedeutende „Säuberung“ der Spitzen der Regierung und der Partei durchgeführt und die verschiedenen Flügel der Bürokratie wurden in ihre Schranken gewiesen (sowohl diejenigen, die aus Angst vor dem Verlust ihrer Privilegien dem Wandel zögerlich gegenüber standen, als auch diejenigen, die die Reformen sehr viel schneller vorantreiben wollten). Die einzige Institution, die eine „politische Öffnung“ erlebte, war die Katholische Kirche, die ihren Platz als anerkannte Institution wiedererlangte und dazu aufgerufen wurde, mit der ausländischen Diplomatie zu diskutieren und zu „vermitteln“. Diese reaktionäre, prokapitalistische und eingefleischt antikommunistische Institution hat jetzt das Recht, ihre Zeitschriften und Broschüren zu drucken und zu verteilen, während die ArbeiterInnen keine Versammlung ohne die Erlaubnis „ihrer“ jeweiligen Organisation durchführen dürfen. Das Ein-Parteien-Regime soll um jeden Preis erhalten bleiben, um der Bürokratie eine gewisse Stabilität zu garantieren und es ihr zu erlauben, sich selbst in UnternehmerInnen und MillionärInnen zu verwandeln.

So geben sich die Chefs der regierenden Bürokratie mit dem neuen Gesetz jetzt auch selbst die Möglichkeit, sich in AktionärInnen der neuen Unternehmen zu verwandeln. Dies ist möglich durch Unternehmen, die durch die marktwirtschaftlichen Reformen seit 2008 leicht zu gründen sind. Das neue Gesetz erlaubt es den Genossenschaften, die sich auf dem Land schon ausgedehnt haben und sich jetzt in den Städten verbreiten, im Sinne der „Umstrukturierung“ der staatlichen Firmen, sich mit ausländischen Firmen zu verbinden, um Investitionen anzuziehen. Die großen AnführerInnen des Staates, der Kommunistischen Partei und vor allem der Revolutionären Streitkräfte (die Elite der Armee) kontrollieren 40 Prozent der Wirtschaft und der wichtigsten Devisenquellen (Tourismus, Bergbau, Gesundheits- und Bildungssystem) sowie 80 Prozent des Außenhandels. Sie werden ihre privilegierten Positionen und die finanziellen Ressourcen, die sie in Jahren des Parasitismus vom Staat auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung abzweigten, dazu nutzen, um sich mit den großen Geschäften zu verbinden, die sich durch die Öffnung für das internationale Kapital ergeben.
Nur die ArbeiterInnenklasse kann die sozialen Errungenschaften retten

Gleichzeitig greift die Bürokratie die arbeitende Bevölkerung direkt an, in dem sie hunderttausende ArbeiterInnen aus den Staatsbetrieben entlassen hat (im Dezember 2013 betrug die offizielle Zahl 450.000). In den nächsten Monaten und Jahren soll sich diese Zahl erhöhen (das Ziel sind 1,8 Millionen) und tausende Betriebe sollen geschlossen und verschrottet werden. Das Rentenalter wurde um fünf Jahre angehoben und das Rationierungsheft, mit dem ein Teil der Bedürfnisse einer Familie kostenlos gedeckt wurde, wird abgeschafft, genauso wie der Großteil der Subventionen für den Konsum der Massen. All das geschieht mit der zynischen und kriminellen Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie der CTC und anderer Massenorganisationen wie des Verbands der landwirtschaftlichen Genossenschaften, dessen AnführerInnen gerade in den Staatsrat aufgenommen wurden.

Um den riesigen Schlag gegen die Lebensbedingungen der Massen zu kaschieren, treibt die Regierung die Arbeit auf eigene Rechnung („cuentapropismo“) und die Genossenschaften voran. Diese haben in einigen Sektoren eine gewisse Dynamik geschaffen und könnten sich in einem ersten Moment der Öffnung für ausländisches Kapital durch neue Investitionen bevorteilt sehen. Aber eher früher als später wird das Kapital sein wahres Gesicht zeigen und Hunderttausende ins Elend und in die Arbeitslosigkeit stürzen, Millionen der Ausbeutung unterwerfen und die Ressourcen des Landes ausplündern.

Das neue Investitionsgesetz stellt Kuba vor die Rückkehr zum Kapitalismus. Dies geschieht im Rahmen der marktwirtschaftlichen Reformen und der Zerstörung des staatlichen Produktivapparats. Weitere Reformen werden noch kommen, wie die Vereinheitlichung der Währung (die Abschaffung der Trennung zwischen dem kubanischen Peso und dem Peso convertible), die die Preise tendenziell denen auf dem Weltmarkt angleichen und die Verteidigung des kleinen und rückständigen kubanischen Produktivapparats gegenüber den ausländischen Industriemächten beenden wird.

Die kapitalistische Restauration Kubas wäre eine Niederlage für die gesamte lateinamerikanische ArbeiterInnenklasse und ein Triumph des Imperialismus. Die ehrlichen KämpferInnen des gesamten Kontinents müssen den tiefgründigen Wandel, den die Bürokratie mit dem Wohlwollen des internationalen Kapitals gerade durchsetzt, aufmerksam verfolgen, genauso wie die Wendungen, die die politische Situation des Landes nehmen könnte. Und vor allem müssen wir aktiv den Kampf gegen die imperialistische Blockade und für die Entmachtung der Bürokratie und die Abschaffung ihrer Privilegien vorantreiben. Das reaktionäre Ein-Parteien-Regime, welches mit einem falschen „sozialistischen“ Diskurs und polizeistaatlichen Methoden das Leben der ArbeiterInnen und der Massen kontrolliert und ihr elementares Recht auf Streiks, Demonstrationen und Organisation außerhalb der KP oder der von ihr kontrollierten „Massen-Organisationen“ verbietet, muss gestürzt werden. Der einzige progressive Ausweg ist die Durchsetzung einer wirklichen Regierung der ArbeiterInnen und armen Bauern/Bäuerinnen, die durch ihre Kampforganisationen und mit voller ArbeiterInnendemokratie die nationale Wirtschaft umorganisiert und alle Reformen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung überprüft. Die politische Revolution in Kuba kann dabei nur als Teil des Kampfes gegen den Imperialismus und für die soziale Revolution in ganz Lateinamerika und in den USA selbst siegen. Einmal mehr zeigt sich der utopische und reaktionäre Charakter der stalinistischen Idee des „Sozialismus in einem einzigen Land“, die der Castrismus in einem kleinen, isolierten und wirtschaftlich rückständigen Land übernommen hat.

 

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