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Internationalistische Rundreise durch Europa
von : Peter Robe

18 Mar 2014 | Christian Castillo, Abgeordneter des Provinzparlamentes Buenos Aires für die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) und Anführer der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS), war im Januar auf einer politischen Rundreise durch Europa.
Internationalistische Rundreise durch Europa

Christian Castillo, Abgeordneter des Provinzparlamentes Buenos Aires für die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) und Anführer der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS), war im Januar auf einer politischen Rundreise durch Europa.

Im Zeichen des proletarischen Internationalismus: Christian Castillo und Claudia Cinatti aus der Leitung der PTS nutzten den argentinischen Sommer für eine politische Rundreise im winterlichen alten Kontinent. Dabei trafen sie sich mit vielen führenden Persönlichkeiten der radikalen Linken in Europa, mit gewerkschaftlichen AktivistInnen und linken Intellektuellen. Christian Castillo sprach auf elf öffentlichen Veranstaltungen in sieben Städten (London, Berlin, Toulouse, Barcelona, Madrid, Athen und Paris) über die Erfahrungen der FIT und der PTS in Argentinien.

Erfolge der trotzkistischen Linken in Argentinien…

Die Veranstaltungen dienten dazu, den Wahlerfolg der Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) bekannter zu machen. Die FIT setzt sich aus drei trotzkistischen Parteien zusammen: unserer argentinischen Schwesterorganisation, der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS), der ArbeiterInnenpartei (PO) und der Sozialistischen Linken (IS). Diese konnten mit einer massiven Agitation zu Millionen von ArbeiterInnen und Jugendlichen sprechen und bei den Parlamentswahlen 1,2 Millionen Stimmen gewinnen. Dadurch zogen sie mit drei Abgeordneten ins nationale Parlament ein und bekamen zahlreiche Sitze in Provinz- und Stadtparlamenten. Dieser Wahlerfolg, den die internationale trotzkistische Strömung CWI als „wichtigste Entwicklung in Lateinamerika abgesehen von dem sozialen Aufruhr in Brasilien“ [1] bezeichnet, muss von der radikalen Linken ausgewertet werden, denn er unterscheidet sich erheblich von anderen trotzkistischen Wahlerfolgen und von der strategischen Ausrichtung von Trotzkist-Innen auf politisch breite Formationen, wie beispielsweise die NPA in Frankreich, SYRIZA in Griechenland oder die deutsche Linkspartei.

Das Programm, mit dem die FIT auftrat und dem bedeutende Teile der ArbeiterInnenklasse in Argentinien ihre Stimme gaben, verband die Forderungen aus den täglichen Kämpfen der ArbeiterInnen mit antikapitalistischen und antiimperialistischen Forderungen und der klaren Perspektive einer ArbeiterInnenregierung. Die Wahlagitation diente der Verbreitung dieser Elemente eines revolutionären Programms und das Wahlergebnis bedeutete somit einen Sprung im Klassenbewusstsein ganzer Sektoren der ArbeiterInnenklasse.

Der Wahlerfolg entsprang einer Kombination aus objektiven und subjektiven Faktoren: zum einen dem Bruch von Teilen der ArbeiterInnenklasse mit dem Peronismus, also der historischen Führung der argentinischen ArbeiterInnenbewegung, der aktuell von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner angeführt wird. Dieser Bruch zeigte sich im ersten Generalstreik gegen die Kirchner-Regierung [2]. Dazu kommt die zunehmende Schwäche der Bürokratie, ihre Basis zu kontrollieren. Zweifellos entscheidend war auch der subjektive Faktor: „In unserem Fall [der PTS] verbanden wir einen harten Kampf der politischen Abgrenzung vom Kirchnerismus und der bürgerlichen Opposition mit einer Politik der verstärkten Einarbeitung in die ArbeiterInnenklasse und einer verstärkten Intervention in einige der zentralen Geschehnisse des Klassenkampfes. Es sind diese Vorkämpfe […] die gut die Resultate der FIT erklären“, schrieben Christian Castillo und Claudia Cinatti [3].

Einer dieser Kämpfe war die Auseinandersetzung in der Kraft-Fabrik im größten Industriegebiet Argentiniens 2009, wo die Wiedereinstellung von gefeuerten ArbeiterInnen und die Ìbernahme des Betriebsrates durch eine antibürokratische Strömung von der PTS und Unabhängigen erreicht wurde. Zudem natürlich der Erhalt der Fabrik Zanon, die nach Jahren des Kampfes im Jahre 2012 die Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle erreichte.

Die gewonnenen Abgeordnetensitze sollen nun in den Dienst des Kampfes der Ausgebeuteten und Unterdrückten gestellt werden und das Parlament soll dabei als eine Bühne dienen, um Arbeitskämpfe und soziale Bewegungen bekannter zu machen. Als Castillo in Barcelona war, besuchte er die Arbeiter-Innen von Panrico, die sich im längsten Streik seit dem Ende der Franco-Diktatur befinden und spendete auch ihnen einen Teil seiner Abgeordnetendiät. Denn revolutionäre Parlamentsarbeit muss im Dienst des internationalen Klassenkampfes stehen!

Im Zeichen des 100. Jubiläums von Karl Liebknechts Beharren auf diesem Prinzip zu Beginn des Ersten Weltkrieges sprach Christian Castillo auf einer von der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO), der Sozialistischen Alternative (SAV) und der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) gemeinsam organisierten Veranstaltung in Berlin. Castillo betonte, dass die gewonnenen Parlamentssitze nur ein Stützpunkt für ein höheres Ziel, nämlich den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei sein können. Deshalb schlug die PTS den anderen Organisationen in der FIT erneut vor, einen ernsthaften Diskussionsprozess zu beginnen, der Schritte hin zum Aufbau einer solchen Partei geht.

Eine weitere Perspektive der PTS ist es, die antibürokratische Basisgewerkschaftsbewegung, die zahlreiche Betriebsräte im ganzen Land zurückerobern konnte, auf die Gewinnung ganzer Gewerkschaften zu heben, um diese in den Dienst des Kampfes zu stellen. Die aktuellen Gewerkschaftsführungen erweisen sich angesichts der neuen Kürzungspläne und der explodierenden Inflation, die laut staatlichen Angaben allein im Januar bei 3,7 Prozent lag (auf ein Jahr berechnet sind das circa 45 Prozent) als unfähig, den Kampf gegen diese Angriffe zu führen.

Die Botschaft, die Christian Castillo und Claudia Cinatti aus Buenos Aires mitbrachten, ist, dass es nicht politisch breite Aufbauprojekte braucht, keine Orientierung auf die niederen Ränge des gewerkschaftlichen Apparats nötig sind, sondern, dass eine klare revolutionäre Perspektive, wenn sie sich nicht versteckt, gepaart mit einer Politik orientiert auf die ArbeiterInnenbasis und einen antibürokratischen Kampf, sich durchaus mit Massensektoren verbinden kann. Der Erfolg der FIT ist ein Erfolg des Optimismus des trotzkistischen Programms gegen den Pessimismus der daran Zweifelnden. Ìber diese allgemeine Lehre aus dem Wahlsieg herrscht natürlich keine Einigkeit unter trotzkistischen Gruppen. Stattdessen verwies man in vielen Beiträgen nur zu gern auf die „besondere“ argentinische Situation

…und die Bedeutung für Europa

Auf ihrer Rundreise durch den Spanischen Staat, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Griechenland konnten Castillo und Cinatti die verschiedenen Entwicklungen im Rahmen der kapitalistischen Krise kennenlernen. Auch wenn die nördlicheren länder Europas – wie Großbritannien und Deutschland – die Auswirkungen der Krise weniger zu spüren bekamen und besonders die deutsche Wirtschaft von ihren Folgen profitierte, war dies nur durch vorhergehende Angriffe auf die Lebensstandards der Bevölkerung möglich. Die arbeiterInnenfeindliche „Agenda 2010“ wird heute als Modell genommen, wie man effektiv soziale Errungenschaften vernichtet. Nicht nur in Frankreich erhebt sich die extreme Rechte, begleitet von frauenfeindlichen, homophoben und rassistischen Kampagnen.

Dies ist auch in Griechenland sichtbar, das trotz eines zeitweiligen Abklingens des Klassenkampfes am stärksten von den politischen und sozialen Krisen der letzten Jahre gekennzeichnet ist. Während von der Sozialdemokratie (PASOK) heute nur noch Ruinen übrig sind, bekam die linksreformistische Partei SYRIZA viele neue Mitglieder und wurde die zweitstärkste Kraft bei den Parlamentswahlen. Viele linke Gruppen schlossen sich in den letzten Jahren mehr oder weniger linksreformistischen Projekten an und tauschten ihr revolutionär-sozialistisches Programm gegen ein „antikapitalistisches“ oder „anti-neoliberales“ aus. Obwohl sich diese Projekte sämtlich nach Rechts entwickeln – wie SYRIZA, die NPA oder auf anderer Ebene die Linkspartei in Deutschland – bleiben viele Kräfte der radikalen Linken mit bestenfalls etwas linkeren Perspektiven an ihnen kleben und zeigen keine klare unabhängige Perspektive der ArbeiterInnen auf.

Mit der Wahl der FIT dagegen hatte ein offensives trotzkistisches Programm Erfolg. Und wenig beeindruckt die europäische Linke so stark wie Wahlerfolge! Besonders angesichts der aktuellen Schwäche der antikapitalistischen und revolutionären Linken in Europa erzeugten die Ereignisse in Argentinien ein großes Interesse. Und das ermöglicht eine neue, bessere Diskussion unter TrotzkistInnen (und über sie hinaus) über die notwendige strategische Ausrichtung zum Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenbewegung.

So gab es Debatten und Gespräche mit VertreterInnen verschiedener trotzkistischer Strömungen, von Gruppen wie Lutte Ouvrière bis zu linken Intellektuellen wie Tariq Ali. Auch Gespräche mit Führungsfiguren, mit denen wir viele Differenzen haben, wie mit Alain Krivine vom „Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale“, dem auch der RSB und die isl angehören, mit Alex Callinicos von der implodierten britischen SWP, mit der Marx21 verbunden ist, oder mit Peter Taaffe vom „Committee for a Workers International“, in der die SAV Mitglied ist. Letzterer zeigte besonderes Interesse an der Politik der PTS innerhalb der ArbeiterInnenbewegung. Es wurden auch erste Kontakte für bessere internationale Solidaritätskampagnen geknüpft. Ein erstes Beispiel dafür ist die internationale Kampagne für den Freispruch der zu lebenslanger Haft verurteilten Ölarbeiter aus Las Heras, Argentinien, die auch von verschiedenen GenossInnen des CWI unterstützt wurde.
Neue Offensive!

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt war der politische Austausch mit Gruppen, mit denen die FT größere Ìbereinstimmen besitzt, wie OKDE-Spartakos in Griechenland, die in Konflikt mit der Führung ihrer internationalen Strömung (Vereinigtes Sekretariat der Vierten Internationale) stehen, die SYRIZA unterstützt; oder den GenossInnen von „Antikapitalismus und Revolution“ in der NPA, mit denen wir – in Frankreich als CCR – einen gemeinsamen Kampf gegen den opportunistischen Kurs der Mehrheit der NPA führen, welche einen gemeinsamen Wahlblock mit der reformistischen Linksfront eingehen will. Diese widerständigen Sektoren versuchen, der immer reformistischeren Politik ihrer Führungen eine Alternative entgegenzusetzen. Diese sich durch die Prüfungen des Klassenkampfes zunehmend ergebenden Spannungen müssen zu einem Neuordnungs-Prozess der revolutionären Linken führen, für dessen progressive Richtung wir uns einsetzen.

In diesem Sinne hat die Trotzkistische Fraktion auf ihrer Konferenz im August letzten Jahres ein Manifest [4] beschlossen, das die grundlegenden programmatischen und strategischen Fragen des aktuellen Klassenkampfes aufgreift und eine revolutionäre Umgruppierung auf internationaler Ebene anstrebt. Wir halten es in der aktuellen Phase einer politischen und ökonomischen Krise mit internationalem Ausmaß für zentral, dass konkrete Schritte hin zum Aufbau einer Internationale für die sozialistische Revolution – die für uns die wiederaufgebaute Vierte Internationale darstellt – und zu revolutionären Arbeiter-Innenparteien auf nationaler Ebene getan werden. Wir glauben jedoch nicht, dass diese Aufgabe durch den langsamen Aufbau unserer oder einer anderen Strömung aus dem Trotzkismus erfüllt werden kann. Vielmehr sind Fusionen zwischen diesen Gruppen und all denjenigen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution sehen, notwendig. Für diesen Prozess stellen wir eben diejenigen heute zentralen programmatischen Eckpunkte zur Diskussion, die die internationale Linke trennen.

Die politische Rundreise der beiden GenossInnen durch den alten Kontinent hat dazu gedient, die Erfahrungen und Lehren der FIT und der PTS zu verbreiten. Sie hat gezeigt, dass es neben der allgemeinen Tendenz des europäischen Trotzkismus, sich breiten Fronten anzuschließen, auch ein großes Interesse an Phänomenen gibt, die eine andere Politik aufzeigen.

 

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Organisationen der Trotzkistische Fraktion
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