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900.000 Stimmen
von : Peter Robe

13 Sep 2013 | Die mehr als 900.000 Stimmen überraschten alle. Die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) konnte ihr Ergebnis im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren fast verdoppeln.
900.000 Stimmen

Die mehr als 900.000 Stimmen überraschten alle. Die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) konnte ihr Ergebnis im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren fast verdoppeln. Damals, als die Wahlfront aus drei trotzkistischen Organisationen – der Partei der sozialistischen ArbeiterInnen (PTS – Schwesterorganisation von RIO in der FT-CI), der ArbeiterInnenpartei (PO) und der kleineren Sozialistischen Linken (IS) – das erste Mal antrat, bekam sie um die 500.000 Stimmen. Die Front hatte sich 2011 als Antwort auf eine reaktionäre Verschärfung des Wahlgesetzes gebildet, die es nur noch jenen Parteien oder Fronten ermöglicht, an den Wahlen teilzunehmen, die bei den drei Monate vorher stattfindenden Vorwahlen (PASO) mehr als 1,5% bekommen.

Damals hatten sie es noch nicht in den Nationalkongress geschafft, konnten jedoch einzelne Abgeordnete in Provinzparlamenten stellen, wie zum Beispiel Raúl Godoy in Neuquén, der seinen Sitz den außerparlamentarischen Kämpfen zur Verfügung stellt – wie vor einigen Wochen bei den Protesten gegen die Ìbergabe der Ölquellen an den multinationalen US-Konzern Chevron. Zudem vertritt Godoy das Prinzip, nur so viel von der Abgeordnetendiät zu bekommen, wie er zuvor in der Keramikfabrik Zanon verdiente, und den Rest zur Unterstützung von ArbeiterInnenkämpfen abzugeben.

Bei den diesjährigen Vorwahlen konnte sich die FIT mit 900.371 Stimmen landesweit als vierte Kraft positionieren. Dass die Front dabei kein auf die Hauptstadt Buenos Aires beschränktes Projekt ist, beweisen besonders die hohen Ergebnisse aus entlegeneren Regionen, wie Salta, wo sie mehr als 11% der Stimmen bekamen, oder Mendoza, wo die FIT mit 7,61% die dritte Kraft ist.

Dieses Wahlergebnis bettet sich in einen politischen Kontext ein, der vor allem von der großen Wahlniederlage geprägt ist, die die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner erlitt. Ihre 26% sind das schlechteste Wahlergebnis der Kirchners seit 2009. Von der Niederlage konnte sie sich allerdings damals durch den wirtschaftlichen Aufschwung und den Tod Nestor Kirchners bis zu den Wahlen 2011 auf 54% erholen.

Heute gestaltet sich dies schwieriger: Argentinien und ganz Lateinamerika befinden sich am Ende eines politischen und ökonomischen Zyklus, der 2001-2003 begann und von wirtschaftlichem Wachstum auf Grundlage hoher Rohstoffpreise und dem Aufkommen „post-neoliberaler“, bürgerlich-nationalistischer Regierungen (Chávez, Morales, Lula, Kirchner, etc.) gekennzeichnet war. Zudem stellt sich für den Peronismus, zu dem der Kirchnerismus gehört, die Frage der Kontinuität, da Kirchner kein drittes Mal als Präsidentin gewählt werden kann. In diesem Rahmen ist auch der Wahlerfolg Sergio Massas zu bewerten, der noch vor wenigen Monaten treuer Gefolgsmann von Kirchner war und ihr nun mit einem Diskurs des „Wandels mit Kontinuität“ eine Niederlage erteilte.

Die FIT trat mit einem Programm der politischen Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse an und stellte einen Forderungskatalog von 26 Punkten auf, der von alltäglichen Problemen wie der Prekarisierung, der Inflation und der Lohnsteuer bis zum Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, für die Verstaatlichung der Transportunternehmen und strategischer Wirtschaftszweige wie des Öls und des Gases unter ArbeiterInnenkontrolle reicht und sie mit der Perspektive einer ArbeiterInnenregierung verbindet.

Das gute Ergebnis bestätigt den Bruch von kleinen aber wichtigen Teilen der ArbeiterInnenklasse mit dem Kirchnerismus, der sich schon in dem Generalstreik vom 20. November 2012 [1] ausdrückte. Dies bietet besonders für die Parteien, die wie die PTS bei Kraft, Pepsico, Coca-Cola, usw. in den Kernsektoren der ArbeiterInnenklasse verankert sind, die Möglichkeit einer offensiveren Politik. Dies wird zudem durch die schrittweise Ìberwindung der Trennung zwischen dem Politischen und dem Gewerkschaftlichen im Bewusstsein der ArbeiterInnen ermöglicht. Während es noch bis vor wenigen Jahren zwar eine starke Basisgewerkschaftsbewegung gab, aber keine politische Alternative der ArbeiterInnen auf landesweiter Ebene, so hat sich dies heute geändert. Dies hat sich auch in dem aktiven Wahlkampf ausgedrückt, in dessen Rahmen beispielsweise Versammlungen mit Hunderten ArbeiterInnen in den Fabriken von Lear und Donnelly stattfanden.

Nichtsdestotrotz ist dieses Ergebnis, das die Präsenz von sozialistischen und revolutionären Abgeordneten im Parlament ermöglicht, kein Ziel an sich. Weit davon entfernt ist es nur ein Mittel im Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei, die im Proletariat verankert ist. Deshalb trägt die PTS auch die politischen Differenzen mit den beiden zentristischen Strömungen, die Teil der FIT sind, offen aus.

Es ist auch nicht das erste Mal in Argentinien, dass eine Kraft der extremen Linken so stark ist und in den Kongress einziehen kann. Diese Projekte verloren jedoch durch ihre Fokussierung auf Wahlen ihre revolutionäre Schlagkraft, wie es das Scheitern der MAS Ende der 80er Jahre zeigte. Deshalb darf die Taktik eines Wahlantrittes von RevolutionärInnen nicht von dem strategischen Ziel einer Partei der Revolution losgelöst sein.

Der Wahlkampf der FIT zeigt dennoch deutlich, dass man selbst in Zeiten relativer wirtschaftlicher Stabilität mit einem Programm der Klassenunabhängigkeit und Ìbergangsforderungen Wahlerfolge erringen kann und widerlegt damit die angebliche Notwendigkeit des opportunistischen Kurses, den die meisten trotzkistischen Strömungen in den letzten Jahren eingeschlagen haben, indem sie anstatt eines prinzipienfesten Programms breite „antikapitalistische Parteien“ aufbauen oder neo-reformistische Projekte wie Syriza unterstützen.

 

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