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NATO-Einsatz in Libyen
von : FT-CI Deutschland

22 May 2011 | Ìber den imperialistischen Krieg in Libyen, die Rolle Deutschlands und die Positionen der Linken.
NATO-Einsatz in Libyen

Seit dem 17. Februar wird Libyen von einer Rebellion gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi aufgerührt. Nachdem in Tunesien und Ägypten Hunderttausende ArbeiterInnen, Studierende, Bauer/Bäuerinnen und Arme ihre Diktatoren zu Fall gebracht haben, entstand auch im ölreichsten Land des afrikanischen Kontinents eine Bewegung zum Sturz des Regimes. Diese entwickelte sich schnell zu einem BürgerInnenkrieg und stellt somit die bisher blutigste Stufe in den revolutionären Prozessen in der arabischen Welt dar.

Zur Verteidigung ihrer ökonomischen und geostrategischen Interessen – und aus Angst vor einer weiteren Radikalisierung der Proteste im Nahen Osten und Nordafrika – entschieden sich die imperialistischen Großmächte USA, Frankreich und Großbritannien für eine militärische Intervention in Libyen. Ihr Ziel war es, einen „geordneten“ Regimewechsel vornehmen zu können, nachdem der UN-Weltsicherheitsrat am 17. März die Resolution 1973 verabschiedete, welche die Einrichtung einer „Flugverbotszone“ über Libyen vorsieht. Bei der Abstimmung enthielten sich fünf der 15 Sicherheitsratsmitglieder, darunter Deutschland, Russland und China, wobei die letzteren beiden nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch machten, welche die Annahme der Resolution verhindert hätte[1].

Währenddessen ist die imperialistische Intervention in Libyen in eine neue Phase eingetreten: Die NATO hat offiziell die Kontrolle über den gesamten Militäreinsatz übernommen. Am 25. März übernahm das Militärbündnis bereits die Kontrolle über den libyschen Luftraum. In der Frage der imperialistischen Militärintervention in Libyen betonten einige UnterstützerInnen der UN-Resolution 1973 zu Beginn den defensiven Charakter der Maßnahmen. Dabei gab jedoch US-Verteidigungsminister Robert Gates ganz offen zu, dass die Resolution den Beginn eines Krieges mit Libyen bedeutet: „Lasst uns die Dinge beim Namen nennen: Die Einrichtung einer Flugverbotszone bedeutet einen Angriff auf Libyen.“[2]

Die „Flugverbotszone“ wird mit dem heuchlerischen und zynischen Diskurs des „Schutzes der Zivilbevölkerung“ begründet, sie ist jedoch eigentlich der Versuch, die Kontrolle über die revolutionären Prozesse in der arabischen Welt durch eine pro-imperialistische Koalition zu erlangen. Denn die Welle von Revolten, die sich nach Tunesien und Ägypten auch auf Libyen und immer größere Teile der arabischen Welt ausgebreitet hat, stellt eine ernste Bedrohung für die ökonomischen und geostrategischen Interessen des westlichen Imperialismus dar.

Im Folgenden wollen wir die Bedeutung der Ìbernahme der Führung des Angriffes durch die NATO analysieren, mit einem besonderen Augenmerk auf die Rolle Deutschlands in dieser Entscheidung, um klar herauszustellen, welche Haltung RevolutionärInnen in Deutschland im Hinblick auf den Libyen-Krieg einnehmen sollten. Denn es gibt bereits eine kontroverse Debatte innerhalb des linken Spektrums darüber, wie man sich zur Flugverbotszone und zur imperialistischen Intervention insgesamt positionieren sollte.

Spannungen im imperialistischen Lager

Die lange Debatte über die Ìbernahme der Führung des Einsatzes durch die NATO entblößte die immer stärker werdenden Spannungen zwischen den verschiedenen imperialistischen Großmächten, die sich seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise immer wieder gezeigt hatten. So zum Beispiel in der sich zunehmend verschärfenden Euro-Krise, der nach Griechenland und Irland nun auch Portugal zum Opfer zu werden droht, sowie in den scharfen Auseinandersetzungen um eine chinesische Währungsanpassung, die Anzeichen eines drohenden Handelskrieges zeigen[3]. Generell sind die Großmächte sich einig, die Kosten der Weltwirtschaftskrise auf die arbeitenden Massen in ihren eigenen ländern und vor allem in den ländern der kapitalistischen Peripherie abzuwälzen. Jedoch gibt es immer wieder Konflikte um die genaue Aufteilung von Einflussgebieten und Rohstoffzugängen, die sich in der aktuellen Wirtschaftskrise verschärfen. So drängt die Krise zu einer Neudefinition der zwischenstaatlichen Verhältnisse. Dabei sind auch offenere Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten vorprogrammiert.

Die Uneinigkeit im Vorgehen der imperialistischen länder ist der Tatsache verschuldet, dass die Umwälzungen und Revolutionen in der arabischen Welt sie unvorbereitet trafen, in einer Phase der Neudefinition der Beziehungen zwischen den Staaten sowie zwischen den Klassen. Die europäischen Mächte sind eher damit beschäftigt, einen Plan für die Rettung der EU aufzustellen. Sie müssen die Gefahren für die EU abwenden, indem sie die Kostend der Krise auf die Lohnabhängigen abladen. Dabei müssen sie nationale Interessen berücksichtigen und sie gegenüber ihren KonkurrentInnen durchsetzen. Deshalb die unterschiedlichen Stimmverhalten im UN-Sicherheitsrat: USA, Frankreich und Großbritannien einerseits und Deutschland, Russland und China andererseits. Hinter der „unkoordinierten“ Intervention in Libyen, selbst wenn sie offiziell gegen das diktatorische Regime Gaddafis und auf die „Verhinderung ziviler Opfer“ gerichtet ist, steckt also der Versuch, einerseits und an erster Stelle die weitere Radikalisierung der arabischen Massen zu verhindern. Zu diesem Zweck soll in Libyen ein zuverlässigeres pro-imperialistisches Regime installiert werden, um die Situation dort zu entschärfen und gleichzeitig als das Signal an die Massen der Region zu schicken: Entweder fügt ihr euch unseren Diktaten oder wir intervenieren militärisch. Dadurch verhindern sie auch, dass der revolutionäre Funke vielleicht sogar auf Europa springt. Zweitens liefern sich die ImperialistInnen einen weniger offenen Kampf um die Erweiterung ihrer Einflusssphären.

Enthaltung als taktischer Zug zur Durchsetzung deutscher Interessen

Die Rolle Deutschlands dabei kann, anders als wie in den bürgerlichen Medien dargestellt, keineswegs als eine anti-interventionistische Haltung gesehen werden. Der deutsche Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel (FDP) sprach hier selbst ganz offen: „Wir haben 7.000 Soldaten im Auslandseinsatz. Wir entlasten das [NATO-]Bündnis, indem wir deutsche Soldaten für AWACS-Einsätze nach Afghanistan schicken.“[4] In die gleiche Richtung gehen verschiedene Aussagen Angela Merkels[5]. Statt also in Libyen anzugreifen, will Deutschland den Einsatz in Afghanistan verstärken. Außerdem erlaubt die Bundesregierung die Nutzung aller NATO-Militärbasen in Deutschland für Angriffe auf Libyen und lässt die Führung des US-Angriffs durch das AFRICOM-Kommando von der US-Basis in Möhringen bei Stuttgart aus zu.

Dies deckt sich mit der Taktik, die schon Gerhard Schröder im Falle des beginnenden Irakkriegs 2003 anwandte: offizielle Anti-Kriegshaltung gepaart mit der indirekten Unterstützung des US-Angriffs durch Ìberflugrechte und eine Verstärkung des Afghanistan-Mandats. Stärker als im Falle Schröders drückt sich bei der jetzigen Enthaltung im Sicherheitsrat ein Versuch der generell unabhängigeren Positionierung der deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik aus. Diese hat insbesondere seit dem Beginn der Krise die „Halbkolonialisierungsbestrebungen“ in Osteuropa verstärkt, was naturgemäß zu Spannungen mit dem US-Imperialismus führt (da das auch bedeutet, eine strategische Beziehung zu Russland aufzubauen). Doch auch wenn die deutsche Bourgeoisie darin übereinstimmt, dass sie längerfristig nicht mehr “Juniorpartner” des US-Imperialismus in der Weltpolitik sein wollen und können, herrscht Uneinigkeit in ihren Reihen darüber, wie und mit welchem Tempo sie sich von den USA wegbewegen sollen.

längst nicht alle Fraktionen der deutschen Bourgeoisie sind mit der Pseudo-Enthaltung der Bundesregierung zufrieden, wie die scharfen Reaktionen der bürgerlichen Medien und beispielsweise der Grünen zeigen. Auch aus den Reihen der CDU kommt viel Kritik an der Haltung Merkels, wie sich an den Aussagen des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbachs zeigt, der reklamierte, dass sich Deutschland an die Seite der USA und Großbritanniens hätte stellen müssen[6].

Die deutsche Rüstungsindustrie, sonst gut von der Bundesregierung mit Profitmöglichkeiten versorgt (zuletzt mit dem „Rettungspaket“ für Griechenland, welches in einer Klausel die enormen Rüstungsverträge Deutschlands mit Griechenland ausdrücklich von dem Sparzwang ausnahm[7]), sieht sich hier von Merkel im Stich gelassen, wie der Austritt des Airbus-Chefs Thomas Enders aus der CDU eindrucksvoll zeigte[8]. In der Tat hat die deutsche Rüstungsindustrie starke Interessen in Libyen. Deutschland hat 2009 für 53,2 Millionen Euro Waffen an das Gaddafi-Regime geliefert – 13mal so viel wie im Jahr davor. 2009 hat sie unter anderem Splitterschutzwesten, G36 Sturmgewehre, Hubschrauber und Ersatzteile sowie Störsender nach Tripoli geliefert – und damit auch Waffen, die sich besonders für BürgerInnenkriege eignen. Mit diesen lässt sich die kommunikative Infrastruktur lahmlegen, also Plattformen wie Handynetze, Facebook und Twitter[9]. Die Aufhebung des Waffenembargos der EU im Jahr 2004 war Gaddafis Belohnung dafür, dass er die Flüchtlingsströme nach Europa an der afrikanischen Küste aufgehalten hat.

Neudefinition der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich

Der Aufstand der arabischen Massen aktualisiert die Epoche von Krisen, Kriegen und Revolutionen. Sie stellt die Blöcke und Allianzen in Frage. Sie offenbart die Widersprüche, in denen sich angesichts der Krise der US-Hegemonie und der Neuorientierung der EU-Staaten die verschiedenen Imperialismen befinden. So ist die Konfliktlinie, die sich hier zwischen den hauptsächlichen Interventionsmächten zeigt, Ausdruck der sich im Zuge der Wirtschaftskrise beschleunigenden Veränderung der wirtschaftlichen und geopolitischen Ordnung der Nachkriegszeit.

Ein klarer Beweis dafür ist das Wiederaufflammen der Spannungen zwischen den beiden Motoren der EU, Deutschland und Frankreich. Die scharfe Kritik Sarkozys an der deutschen Bundesregierung bezüglich ihrer Enthaltung im Sicherheitsrat ist in diesem Kontext zu sehen. Bei der französischen Intervention in Libyen haben die eigenen Fehler zu Beginn des arabischen Frühlings eine große Rolle gespielt[10]. Kurz bevor die Revolte losging, sah Frankreich in Gaddafi einen sehr guten Freund, die damalige französische Außenministerin Alliot-Marie bot drei Tage vor der Flucht des tunesischen Diktators Ben Ali französische Spezialtruppen zur Aufstandsbekämpfung an.

Auch aus wahltaktischen Gründen sah sich Sarkozy gezwungen, seine sinkende Zustimmungswerte mittels einer Offensive in der internationalem Arena wieder in Griff zu kriegen, indem er versucht, das Image als Kolonialmacht wiederzubeleben, um rechte WählerInnen zu mobilisieren. Denn dies ist einer der wenigen Gründe für den aktuellen kriegerischen Gang. In der Tat sind die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs in Libyen eher marginal.

Hinter dem Säbelrasseln Franreichs verbirgt sich also die sinkende Bedeutung des französischen Imperialismus in der EU und in Nordafrika. Deshalb versucht Frankreich Deutschland mittels Militäraktionen – der einzige Bereich, in dem es Deutschland noch überlegen ist – in die Schranken zu weisen. Die Botschaft ist eindeutig: Frankreich will, obwohl die politische und wirtschaftliche Führung der EU in Berlin liegt, dass die militärische und diplomatische Führung in Paris bleibt. Jedoch haben die Drohungen wenig Substanz. „Paris verletzt weder Washington – die wahre Macht – noch Berlin. Das Problem wird kommen, wenn die französischen mit den deutschen Interessen kollidieren, was man sich leicht vorzustellen kann. Als gemeinsamer Block fällt Europa wirtschaftlich, politisch und kulturell weiterhin ab. Deutschland liebäugelt immer mehr mit Russland, auf den Spuren eines historischen Modells, das sich wiederholt. Dazwischen liegt Osteuropa, das panisch beobachtet, wie Berlin und Moskau sich umarmen, und nach Washington und Paris läuft, um nach Hilfe zu bitten. Es ist östlich der Oder, nicht in Afrika, wo es zum offenen Interessenkonflikt kommen kann.“[11]

Deutschland versucht angesichts der „Provokationen“ aus Paris, seine Interessen zu wahren. Deshalb der „friedlichere“ Gang gegenüber Libyen. Deshalb bietet Deutschland auch Unterstützung bei der Entwicklung von “Fahrplänen zur Demokratie” dort, wo es zur Zeit „notwendig“ ist: in den arabischen ländern. „Demokratie und Rechtsstaat gehören zusammen.“ sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle, damals noch Parteivorsitzender der FDP (jener Partei, die den Putsch gegen den Präsidenten Manuel Zelaya in Honduras unterstützte). Deutsche Investitionen und eine Politik zum Abbau von Handelsbeschränkungen in einem bürgerlich-demokratischen Ägypten sind die Formeln, mit denen die „Fahrpläne“ für Ägypten, Tunesien und andere länder vorangetrieben werden. Denn im Falle einer langfristigen Stabilität in der Region steigen die Chancen für die deutsche Wirtschaft.

Wirtschaftliche Interessen in Libyen

Im Falle Libyens ist Deutschland, nach Italien, bisher der zweitwichtigste Exportpartner gewesen. Als Importpartner liegt Deutschland an vierter Stelle und damit vor Frankreich[12]. 2009 exportierte Deutschland Waren für 1,13 Milliarden Euro nach Libyen, darunter Baumaschinen, Fahrzeuge und Lebensmittel. Der größte in Libyen tätige Konzern aus Deutschland ist BASF/Wintershall, der dort acht Ölfelder betreibt. Ebenfalls in Libyen präsent sind Großkonzerne, wie RWE, Eon, Siemens Ferrostahl, Thyssen-Krupp und der Baukonzern Bilfinger Berger. Insgesamt sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) knapp 40 deutsche Firmen in Libyen tätig. Sie kommen vor allem aus der Energiebranche, aber auch aus dem Bau-, Nahrungsmittel- oder Medizinbereich. Jedoch ist das Land als Markt für deutsche Firmen nicht so bedeutsam wie etwa Saudi-Arabien oder Ägypten, wo der eigentliche Blick heute gerichtet ist.

Auch für das US-Kapital ist Libyen nicht essentiell. Die USA intervenierten in Libyen nicht hauptsächlich aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen. Der Teil-“Rückzug“ der USA aus Libyen und das Ìberlassen vieler Kampfhandlungen an die NATO macht deutlich, dass es der US-Regierung eher darum geht, sich nicht in ein weiteres Afghanistan hineinziehen zu lassen, um die mehr als angeschlagene moralische Autorität des US-Imperialismus nicht noch mehr zu gefährden. Im Sinne Washingtons erweckt die NATO den Eindruck, unparteiischer als eine direkte US-Intervention zu sein. Die großflächige, militärische Unterstützung der RebellInnen gegen die Gaddafi-treue Armee spricht hier aber eine deutlich andere Sprache[13].

Auch die deutsche Regierung positionierte sich für die Ìbernahme der Mission durch die NATO – ein klares Zeichen, dass es nicht um eine etwaige Anti-Kriegshaltung geht, sondern darum, den größten Konkurrenten Deutschlands, nämlich die USA und Frankreich, etwas mehr Kontrolle aufzulegen, ohne sich dabei zu sehr selbst in die Kriegshandlungen in Libyen zu verstricken. Ein stärkeres Engagement in Afghanistan könnte auch dort die Machtverhältnisse zu Gunsten deutscher Konzerne beeinflussen.

Die offizielle Ablehnung einer Militärintervention in Libyen seitens der deutschen Regierung steht insofern auch im Zusammenhang mit dem Versuch, die Ausdehnung der Einflusssphäre Frankreichs im Mittelmeerraum auszudehnen, einzudämmen. Gleichzeitig versucht Deutschland, die eigene Einflussnahme in der Region zu steigern. Hinter der leeren und zynischen Rhetorik der Menschenrechte verbergen sich also knallharte wirtschaftlichen Interessen. Um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen: Deutschland ist in der imperialistischen Aggression gegen Libyen eine Kriegspartei.

Die NATO und die RebellInnen

Hier stellt sich die Frage nach der Zusammensetzung der RebellInnenfront gegen Gaddafi. Welche Kräfte unterstützt die NATO eigentlich? Während die große Masse der RebellInnen, welche einen heroischen BürgerInnenkrieg gegen das unterdrückerische Regime von Gaddafi führen, aus ArbeiterInnen, armen Bauern/Bäuerinnen und Jugendlichen besteht, ist der libysche „Nationale Ìbergangsrat“ (CNTL), der sich als die Führung der RebellInnen versteht (und sogar von Frankreich, Italien und anderen ländern schon als legitime Regierung Libyens anerkannt wurde), hauptsächlich aus ehemaligen Gaddafi-Funktionären zusammengesetzt, die sich kurzfristig auf die Seite der RebellInnen geschlagen haben, sowie aus Stammesführern und bürgerlichen Intellektuellen, AnwältInnen, Richtern und Offizieren, die in der Konfrontation mit Gaddafi ihre eigene Macht stärken wollen. Diese Führung hat kein Interesse an einer grundlegenden Veränderung der sozialen Verhältnisse in Libyen, die allein die Grundlagen für die Verbesserung der Lebensbedingungen der libyschen Massen legen könnte.

Stattdessen verhandelt sie seit Wochen mit der NATO und wird von der CIA unterstützt. Es muss noch einmal ganz klar betont werden, dass die militärische Unterstützung der RebellInnen durch die NATO nichts mit einer tatsächlichen Parteinahme der imperialistischen Großmächte für die arabischen Revolutionen zu tun hat. Ganz im Gegenteil: die NATO unterstützt die RebellInnen nur deshalb, um deren Führung zu kooptieren und sie dazu drängen, pro-imperialistische „Reformen“ nach ihrer Machtübernahme in Angriff zu nehmen. Nicht umsonst sprach die Libyen-Konferenz in London ausführlich über die „Nach-Gaddafi-Zeit“. Der „Nationale Ìbergangsrat“ der RebellInnen hat sich dementsprechend auch schon beeilt, solche Reformen anzukündigen. Deshalb besteht die Taktik der ImperialistInnen auf militärischer Ebene darin, die RebellInnen zu unterstützen (vorerst mit leichtkalibrigen Waffen und MilitärberaterInnen), damit diese als Bodentruppen der imperialistischen Koalition fungieren. Die Führung um die CNTL betritt so den Pfad, den die UCK in Kosovo seinerseits betrat. Die anfangs fortschrittliche UCK, die für die nationale Selbstbestimmung und gegen die nationale Unterdrückung kämpfte, wurde zu einem Diener des Imperialismus, der die Bombardements der NATO unterstützte.

Statt sich aber zum Lakaien der NATO-Intervention machen zu lassen, welche letztendlich nur ein pro-imperialistisches Regime durch ein anderes ersetzen will, müssten die libyschen Massen eine unabhängige Perspektive entwickeln und sich offensiv sowohl gegen Gaddafi als auch gegen jegliche imperialistische Einmischung positionieren. Die Führung des „Nationalen Ìbergangsrats“ stellt keine Alternative im Sinne der libyschen Massen dar, sondern ist ebenso pro-imperialistisch wie Gaddafi. Notwendig für den Erfolg der libyschen Revolution ist eine unabhängige Politik der Unterdrückten, die sich mit den ArbeiterInnen, Jugendlichen und armen Massen der anderen arabischen länder und weltweit verbünden und sich deren aktive Solidarität sichern.

SPD und Grüne für einen kriegerischen Kurs

Dass eine indirekte Teilnahme an der Intervention von Teilen der deutschen Bourgeoisie als unausreichend angesehen wird, zeigen die skandalösen Aussagen des ehemaligen Führungsmitglieds der Grünen, Joschka Fischer, der die Verweigerung einer direkten Kriegsbeteiligung durch Westerwelle mit folgenden Worten kommentierte: „Mir bleibt da nur die Scham für das Versagen unserer Regierung und - leider! - auch jener roten und grünen Oppositionsführer, die diesem skandalösen Fehler anfänglich auch noch Beifall spendeten.“[14] Aber auch die offizielle Grünen-Führung stimmte der UN-Resolution zur Einrichtung der Flugverbotszone zu und forderte die Bundesregierung trotz einiger „humanitärer“ Bedenken dazu auf, „sich aktiv für die Umsetzung der Sanktionen, der Einhaltung des Waffenembargos und die Versorgung und Aufnahme von Flüchtlingen einzusetzen.“[15]

Ìberraschend ist dies für die Grünen keinesfalls. So hat Fischer bereits 1998 der deutschen Bourgeoisie zur Kriegslegitimation gegen Jugoslawien verholfen. Auch ohne Fischer kritisieren die heutigen Grünen die „Enthaltung“ der schwarz-gelben Regierung von dem pro-imperialistischen Standpunkt aus, den die Partei schon seit dem Ende der 1990er Jahre offen einnimmt. So stellten sie auch schon 2010 die entschlossenste Fraktion hinter von Guttenbergs (CSU) kriegstreiberischen Militärreformen dar[16]. Dessen militaristische Pläne zur Professionalisierung der Armee als Vorbereitung zukünftiger ausländischer Interventionen kommentierten die Grünen lediglich mit den Worten, sie gingen „lange nicht weit genug.“[17]

In den restlichen Lagern der Opposition gestaltet sich die Lage ähnlich. So wiederholt die SPD ihre trügerische Strategie aus der Zeit des beginnenden Irakkriegs. Während sie offiziell Wirtschaftssanktionen als Alternative propagiert[18], nutzt sie die libysche Krise unterschwellig, um der deutschen Bourgeoisie ihren Willen zu demonstrieren, auch zukünftige Angriffskriege durchzuführen. In einer Stellungnahme zu den Aufständen im nordafrikanischem Raum, schreibt die internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes: „Wer Krieg gegen sein eigenes Volk führt, muss mit Sanktionen rechnen und er ist vor internationaler Strafverfolgung nicht sicher. Diese neue Tendenz im Völkerrecht wird immer wichtiger und sie lässt den alten Grundsatz, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht in ’innere Angelegenheiten‘ eines anderen Staates einmischen darf, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen zunehmend zurücktreten.“[19] Hinter der bürgerlich-humanistischen Rhetorik verbirgt sich hier eine Anbiederung an den deutschen Imperialismus und zeigt den Willen, zukünftige Aggressionspläne im Parlament mit durchzusetzen.

Nachdem sich die SPD für den Krieg gegen Afghanistan stark gemacht hat, die niedergeschossenen Aufstände in Bahrain, Jemen, Syrien usw. größtenteils unkommentiert lässt und im Inneren der BRD für den radikalsten Sozialabbau in der Geschichte der BRD verantwortlich ist, dürfte es nur unverbesserliche SozialpatriotInnen wundern, dass in der sozialistischen Internationale, zur der die SPD gehört, auch „ehrenwerte“ Parteien und Persönlichkeiten Platz fanden, wie Ben Alis RCP und Mubaraks NDP.

Die Orientierungslosigkeit der deutschen Linken

In Deutschland hat die Intervention der NATO seltsamer Weise wenige Debatten ausgelöst. In weiten Teilen des linken Spektrums herrscht Einigkeit über den imperialistischen Charakter der Intervention – das war es aber auch. Die Ablehnung des Libyen-Krieges durch die verschiedenen Teile der reformistischen Linken in der BRD ist in Texten zwar vorhanden, beschränkt sich allerdings auf eine halbherzige Kritik der imperialistischen Aggression, die Hoffnungen in einer Verhandlungslösung hegt und jede ernsthafte Solidaritätsarbeit vermissen lässt.

Die Positionen der Partei “DIE LINKE” bewegen sich in diesem Rahmen. In einer Rede im Bundestag verwies der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jan Van Aken zwar auf die heimtückische Unterstützung der Regierung für den Krieg gegen Libyen[20] und lehnte die Intervention offen ab. Was jedoch von dieser Partei zu erwarten ist, wenn sie den Kreis der Opposition verlässt und der Macht nahe kommt, zeigte 2009 bereits die Affäre um das Kundus-Massaker: Die jahrelange Forderung nach einem sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan verwandelte sich in die Forderung nach einem „geordneten Rückzug auf Zeit“ – denn die Führung der Linkspartei wollte der herrschenden Klasse zeigen, dass auch mit ihnen Kriege zu führen sind, in der Hoffnung auf eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung.

Auch Lothar Bisky sprach sich als Vertreter der deutschen Linkspartei auf EU-Ebene gegen eine militärische Intervention in Libyen aus. Trotzdem gab er jedoch seine Stimme für die UN-Resolution 1973[21]. Diesen Widerspruch zwischen Wort und Tat suchte er mit der Argumentation zu verschleiern, dass die Resolution auch Gerechtes beinhalte, so zum Beispiel die Anerkennung des nationalen Ìbergangsrates als legitime Führung der Revolution. Dass dieser Rat zu entscheidenden Teilen aus Ministern des reaktionären Gaddafi-Regimes besteht, die dem Diktator erst vor kurzem den Rücken kehrten, wird hierbei allerdings verschwiegen. Wenn auch diese Stimmabgabe gegen den mehrheitlichen Willen der Linkspartei ging, so findet die Kluft zwischen linker Rhetorik und rechter Politik doch Parallelen in der Geschichte der Linkspartei.[22]

Eine umgekehrte aber ähnlich unhaltbare Position vertritt ein großer Teil der DKP: Sie verurteilen zwar die imperialistische Intervention, schreiben dabei aber Gaddafi eine antiimperialistische Haltung zu. Somit übernehmen sie beinah wortwörtlich die Positionen eines Fidel Castro[23] oder Hugo Chávez[24]. Sie sehen also in Gaddafi nicht den Garant der imperialistischen Ordnungs in der Region, der sich dem Neoliberalismus verschwor und sich schamlos durch die Erträge aus dem Export des Erdöls bereichert hat; nicht den Diktator, der bis vor kurze Zeit beste Beziehungen zu den imperialistischen Mächten unterhielt, angefangen bei Berlusconi und Sarkozy und auch bei den USA, die ihn für einen unerlässlichen Verbündeten im „Krieg gegen den Terror“ hielten. Ein Großteil der DKP sehen in ihm reflexartig einen antiimperialistischen Kämpfer. Somit nehmen sie in letzter Instanz eine reaktionäre Haltung zur Intervention ein, die mit einem falsch verstandenen Antiimperialismus gesalzen wird.

So schrieb die Rostocker DKP in ihrer Stellungnahme „Hände weg von Libyen“ vom 22. März 2011: „Seit Ghaddafi mit einer Gruppe progressiver Offiziere 1969 Libyen durch einen revolutionären Putsch auf die Straße des gesellschaftlichen Fortschritts unter arabischen Bedingungen gebracht hatte, musste das internationale Kapital auf 90% der Erdölvorkommen in Libyen verzichten. Diese Gewinne wurden für ein kostenloses Gesundheitswesen, kostenloses Bildungssystem, niedrige Mieten, also einen passablen Lebensstandard der einfachen Menschen verwandt.“[25] Ein blauäugigeres Bild vom Gaddafi-Regime ist kaum vorstellbar!

Allerdings ist diese Haltung so untragbar, dass dies zu entgegengesetzte Positionen innerhalb der DKP führte. So behauptet die DKP offiziell „Es gibt keinen Grund, für das Gaddafi-Regime von heute besondere Sympathie zu empfinden. Die Zeit, in der er als Verfechter eines „arabischen Sozialismus“ in der Weltpolitik objektiv eine antiimperialistische Rolle spielte, ist seit längerem vorbei.“[26]

Als eine gefährliche Entwicklung sehen wir die Positionen, die von manchen Teilen der trotzkistischen Linken vertreten werden. Einige trotzkistische Organisationen entwickeln sich weg von den theoretischen und programmatischen Errungenschaften der revolutionären ArbeiterInnenbewegung, auf der Suche nach Abkürzungen zur Revolution. So hat der aus dem Libanon stammende und in Frankreich lebende Intellektuelle Gilbert Achcar, der dem Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale nahe steht, die “Flugverbotszone” kritisch unterstützt[27]. Es gibt andere Mitglieder dieser „Vierten Internationale“, die sich gegen jede Intervention aussprechen, doch leider tun diese Mitglieder so, als ob eine solche Unterstützung für imperialistische Bombardements eine einfache Meinungsverschiedenheit unter RevolutionärInnen und nicht eine grundlegende Prinzipienfrage für die revolutionäre Bewegung darstellen würde.

Den gleichen Fehler macht das in der Presse als trotzkistisch bezeichnete Netzwerk Marx21. In der letzten Ausgabe ihrer Zeitschrift Marx21 spricht Achcar über die arabische Revolte und deren Auswirkungen. Darin verliert er kein einziges Wort über Libyen. Nichts sagt er über seine aus revolutionär-marxistischer Sicht skandalöse Unterstützung für die „Flugverbotszone“, und der Interviewer sieht sich auch nicht in der Pflicht, irgendeine Frage diesbezüglich zu stellen. In einem anderen Artikel der gleichen Ausgabe erklärt Stefan Ziefle, dass sich „ein Flügel der [RebellInnen-]Bewegung der NATO zugewandt [hat] und auf echte Unterstützung [hofft]. (...) Wenn Revolutionen scheitern, dann mit allen blutigen Folgen, die das hat. Trotzdem sind sie der einzige Weg zur Befreiung. Es gibt keine Abkürzung über die NATO. Und nur die Libyer selbst können die Revolution machen. (...) Aber es gibt Möglichkeiten, ihnen dabei zu helfen: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Regierungen den revolutionären Prozess nicht mit Waffengewalt ersticken. Vor allem dürfen wir nicht zu Handlangern der westlichen Regierungen machen, die alles daran setzen werden, eine wahre Befreiung zu ersticken.“[28] Aber auch er verliert kein Wort über die absurde Position Achcars zur Flugverbotszone. Genausowenig nimmt er eine konkrete Analyse derjenigen Kräfte vor, die sich „der NATO zugewandt“ haben und spricht nicht über die Notwendigkeit einer unabhängigen Politik der Unterdrückten gegenüber dem CNTL. Wichtig hierbei ist, dass die Fragen der “Flugverbotszone” sowie die pro-imperialistischen Positionen des Ìbergangsrates verschwiegen werden. In dem sie diese Fragen ausklammern, nimmt Marx21 selbst eine schwammige Position zu diesen zentralen Fragen des internationalen Klassenkampfes ein. Diese “Verwischung der Gegensätze zwischen den verschiedenen Tendenzen” ist laut dem russischen Revolutionär Leo Trotzki typisch für zentristische Organisationen.[29]

Ähnlich verhält es sich mit der angeblich fortschrittlichen Forderung nach „Waffen für die libyschen Rebellen“, die unter anderem die Partido Obrero (Arbeiterpartei, PO) aus Argentinien und Liga für die Fünfte Internationale (LFI) aufstellt. In einem Artikel der britischen LFI-Sektion werden die libyschen RebellInnen ausnahmslos als RevolutionärInnen dargestellt[30]. Zwar wird der pro-imperialistische Ìbergangsrat mit einem Halbsatz kritisiert, gleichzeitig aber so getan, als wenn er kaum Einfluss über die Masse der Aufständischen hätte. Aus dieser kurzsichtigen Position heraus, die die Dialektik von Basis und Führung in der libyschen Revolution größtenteils ignoriert, folgt die halbherzige Kritik an der NATO, dass sie die libyschen RebellInnen nicht konsequent mit Waffen beliefern würde. Diese Forderung ist aus zwei Gründen fatal: zunächst einmal argumentiert die LFI damit wiederum für die Abhängigkeit der Bewegung von der NATO, anstatt konsequent jede Einmischung der NATO zu verurteilen. Und zweitens fehlt der Forderung eine Analyse der Frage, wen genau man mit Waffen unterstützen sollte: Den Nationalen Ìbergangsrat und die privaten Milizen der Stammesführer und Ex-Gaddafi-Funktionäre? Wie würden die „einfachen“ RebellInnen, die quasi „unabhängig“ von der Führung des CNTL sind, an die Waffen kommen? Diese Fragen scheinen spitzfindig, aber sie sind von größter Bedeutung in dem Moment, wenn die von der NATO bewaffneten Milizen der Stammesführer nach einem möglichen Umsturz Gaddafis die armen Massen der RebellInnen und ArbeiterInnen blutig unterdrückt. Statt einer pro-imperialistischen Führung noch mehr Mittel in die Hand zu geben, die unterdrückerische Politik Gaddafis unter neuer Maske weiterzuführen, wäre es eine viel fortschrittlichere Forderung, die mobilisierten arabischen Massen und Linke und ArbeiterInnenorganisationen weltweit zu Solidaritätsstreiks und Blockaden gegen Gaddafi und die NATO-Intervention aufzurufen.

Eine revolutionäre Haltung

Wir beschäftigen uns in diesem Artikel mit einigen wenigen Positionen linker Strömungen nicht um einer intellektuellen Neugier willen, sondern weil wir dadurch zur Beantwortung der Frage beitragen wollen, was für eine Partei die Ausgebeuteten und Unterdrückten in Libyen und weltweit brauchen, um den Kapitalismus zu stürzen. Dafür ist es notwendig, eine ideologische und programmatische Trennlinie zu ziehen zwischen denjenigen, die Begriffe wie “Diktatur des Proletariats” oder “gewaltsamen Umsturz der kapitalistischen Herrschaft” als überholt ansehen und deshalb durch schwammige Losungen ersetzen. Für uns ist es dagegen keineswegs so, dass die Losungen der sozialistischen Revolution überholt sind. Stattdessen zeigen die Ereignisse in den arabischen ländern die Aktualität marxistischer Theorie und Praxis. „Zu behaupten, dass die aktuelle Periode von einer weltweiten Kapitalismuskrise kennzeichnet ist, bedeutet, dass alles relativ instabil ist. Wenn wir behaupten, dass wir uns vor dem Ende der bürgerlichen Restauration befinden, und dass ein neuer Zyklus anfängt, impliziert dies, dass die bürgerliche Stabilität prekär ist. Dies ist was die aktuellen Prozessen zeigen. So zeigt das Beispiel Libyens, dass ein Land mit Wirtschaftswachstum in eine Krise abgleiten und aufgrund politischer Widersprüche in die Luft fliegen kann.“[31]

Historische Erfahrungen zeigen, dass es zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Klassen kommen wird – mitunter auch zu entscheidenden Schlachten. Deshalb sehen wir heute die Aufgabe darin, uns theoretisch und politisch darauf vorzubereiten. Das Ziel dabei ist, Einfluss bei den Massen zu gewinnen, damit die ArbeiterInnen und Unterdrückten einen sozialistischen Ausweg aus der Krise finden. Die arabischen Massen haben eindrucksvoll bewiesen, dass die bestehende Ordnung – die monolithisch zu sein schien – umgestürzt werden kann. Dies ist ein Schlag ins Gesicht für alle SkeptikerInnen, die entweder von der Unmöglichkeit ausgehen, irgendetwas zu tun,, oder dies nur als eine entfernte, beinahe hypothetische Möglichkeit ansehen. Für diejenigen, die die direkte Aktion der Massen auf den Straßen und in den Betrieben als historisch relevant ansehen, ist dies von außerordentlicher Wichtigkeit.

Gleichzeitig zeigen die aktuellen Erfahrungen in der arabischen Welt, dass das Fehlen einer Organisation mit programmatischer und strategischer Klarheit sowie starker Verankerung in der ArbeiterInnenklasse dazu führt, dass die Proteste auf halbem Wege stehen bleiben. Nur der konsequente Bruch mit dem Imperialismus, nur eine sozialistische Revolution in den ländern des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas kann das Joch der Unterdrückung, unter dem die arabischen Massen leiden, abschütteln.

Die schwammigen Positionen zu Libyen und die größtenteils ausbleibende praktische Solidarität aus Deutschland mit den revolutionären Prozessen in der arabischen Welt sind noch ein Beweis für die Notwendigkeit des Aufbaus einer revolutionären Partei der ArbeiterInnen und Jugendlichen als Teil einer revolutionären Internationale. Eine solche Partei und Internationale sind die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung einer wirklich antiimperialistischen Politik, die hierzulande die Komplizenschaft der Bundesregierung bei den Luftangriffen in der breiten Öffentlichkeit anprangert, Proteste auf der Straße und in den Betrieben organisiert, und Streiks gegen die Kriegsmaschinerie organisiert, z.B. in Häfen[32], Waffenfabriken etc. Denn der Kampf gegen den Imperialismus kann nicht einfach den kapitalistischen Peripherien auferlegt werden, sondern muss auch in den kapitalistischen Zentren selbst geführt werden.

Eine solche revolutionäre ArbeiterInnenpartei muss sich deswegen international organisieren und weltweit Proteste gegen imperialistische Interventionen und kapitalistische Ausbeutung anführen. Wir von der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) und der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI) versuchen, mit unseren bescheidenen Kräften, in diesem Sinne zu wirken[33].

Wir lehnen jede Illusion in den proimperialistischen Ìbergangsrat in Libyen oder in die geheuchelte Kriegsenthaltung in Deutschland ab. Stattdessen treten wir für eine breite Solidarität aller linken und ArbeiterInnenorganisationen für die aufständischen Massen in der arabischen Welt ein[34]. Wir fordern all diese Kräfte dazu auf, in der Frage des Internationalismus den Worten Taten folgen zu lassen.

Die ImperialistInnen können und werden in Libyen keine “Gerechtigkeit”, keine soziale Gleichheit schaffen. Die reaktionäre Intervention muss einer internationalen, proletarischen Aktion beantwortet werden!

Gegen die NATO-Aggression in Libyen! Gegen jede Einmischung des Imperialismus in die Prozesse im Nahen Osten!

Für den revolutionären Sturz des Gaddafi-Regimes!

Für die sozialistische Revolution in Nordafrika und im Nahen Osten...

...und weltweit!

//20. Mai 2011

//Revolutionäre Internationalistische Organisation, RIO (deutsche Sektion)
//Internationaler Klassenkampf (Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale, FT-CI)

Fußnoten

[1] RIO Int
[2] Tagesspiegel
[3] FT-CI
[4] FDP
[5] CDU
[6] FAZ
[7] RIO Int
[8] Handelsblatt
[9] Quelle: Rüstungsexportberichte 2001 - 2009
[10] Ein konkretes Beispiel ist der bekanntgewordene Zwischenfall zwischen der (damaligen) Außenministerin Michele Alliot-Marie und einem Unternehmer, der dem tunesischen Ex-Präsidenten Ben Ali nahesteht. Die höchst beschämende Situation führte zu der Entlassung Allio-Maries und ihrer Ersetzung durch den Veteranen Alain Juppé. Frankreich, das viele nordafrikanische Kolonien hatte und sich selbst eine historische und koloniale Verantwortung gegenüber der Region auferlegt, hat daraufhin radikal den Ton geändert.
[11] La Estrella Panamá: Francia marca su territorio. 10. April 2011.
[12] Libya Export and Import Trade Inidicators and Statistics:
Exports: $44.89 billion (2010 est.)
Exports - commodities: crude oil, refined petroleum products, natural gas, chemicals
Exports - partners: Italy 37.65%, Germany 10.11%, France 8.44%, Spain 7.94%, Switzerland 5.93%, US 5.27% (2009)

Imports: $24.47 billion (2010 est.)
Imports - commodities: machinery, semi-finished goods, food, transport equipment, consumer products
Imports - partners: Italy 18.9%, China 10.54%, Turkey 9.92%, Germany 9.78%, France 5.63%, Tunisia 5.25%, South Korea 4.02% (2009)

Quelle: CIA World Factbook.
[13] Insbesondere die Türkei hat sich gegen die alleinige Führung Frankreichs stark gemacht und somit indirekt Partei für die NATO-Intervention in Libyen ergriffen – ein Ausdruck des Versuchs, gegenüber anderen Mittelmeer-Anrainern und anderen muslimischen Staaten an politischem Gewicht zu gewinnen.
[14] Spiegel
[15] Grüne
[16] Der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) plante die Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer Berufsarmee, die die Legitimation für offene Angriffskriege besitzen sollte. Um ihrer „Effizienz“ Willen sollte ihre militärische Führung zentralisiert und der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden.
[17] WSWS
[18] Schon im beginnenden Irakkrieg kosteten solche Sanktionen mehr Leben als die direkte Kriegsführung.
[19] SPD
[20] Linksfraktion
[21] WSWS
[22] Schon die arbeiterInnenfeindliche Bankenrettung nach Ausbruch der Wirtschaftskrise wurde von der Linkspartei zwar in Reden kritisiert, mit der Zustimmung zum Schnellverfahren der Abwicklung jedoch tatkräftig unterstützt.
[23] “Ich sehe Libyen als ein Land der Bewegung der Blockfreien länder und als einen der souveränen Staaten von den knapp 200 der Organisation der Vereinten Nationen. (...) Wenn Gaddafi die Traditionen seines Volkes ehrt und so zu kämpfen beschließt, wie er es versprochen hat, d.h. bis zum letzten Atemzug an der Seite der Libyer, die den schlimmsten Bombardements zu begegnen haben, die jemals ein Land erlitten hat, dann wird er die NATO und ihre kriminellen Projekte im Morast ihrer Schmach versenken. Die Völker achten jene Menschen, die ihre Pflicht zu erfüllen wissen, und glauben an sie.” (Reflexionen des Genossen Fidel: Der faschistische Krieg der NATO).
[24] Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hält weiter zu Gaddafi. Chávez ging soweit, Gaddafi als den „Bolívar Libyens“ zu preisen. Im September 2009, als Gaddafi zu einem Gipfeltreffen auf die venezolanische Isla Margarita gereist war, überreichte Chávez Gaddafi die Halskette des venezolanischen Befreier-Ordens und eine Replik des Schwertes von Simón Bolívar. Schon 2004 hatte Gaddafi Chávez mit dem „Internationalen Gaddafi-Menschenrechtspreis“ ausgezeichnet. Auch ließ er ihm von einer libyschen Universität den Ehrendoktor für seine Verdienste bei der „Stärkung der sozialen Gerechtigkeit und der Demokratie der Massen“ verleihen.
[25] DKP MV
[26] Unsere Zeit: Kein Krieg um Öl in Libyen! 11. März 2011.
[27] International Vierpoint
[28] Marx21
[29] Zitat aus: Leo Trotzki: Was Nun? Schlüsselfragen des deutschen Proletariats. Kapitel 9 über die SAP.
Wie Trotzki es zutreffend formulierte ist „Der Zentrismus [ist] theoretisch formlos und eklektisch; er flieht möglichst theoretische Verbindlichkeit und ist (in Worten) geneigt, der ’revolutionären Praxis‘ den Vorrang zu geben vor der Theorie, ohne zu begreifen, daß allein die marxistische Theorie der Praxis eine revolutionäre Richtung zu geben vermag.“ (Trotzki: Der Zentrismus und die Vierte Internationale. 1934). Der Zentrismus spricht also mit einem marxistischem Vokabular, aber „indem er vor den praktischen Schlussfolgerungen ausweicht“, verharmlost er seine Kritik.
[30] WP
[31] PTS: Una nueva primavera de los pueblos. 10 März 2011.
„Decir que el actual es un período signado por la crisis capitalista internacional es decir que todo es relativamente inestable. Decir que estamos al fin de la restauración burguesa y que estamos entrando a un nuevo ciclo, significa que toda estabilidad burguesa es relativamente precaria, y eso es lo que muestran los procesos actuales. Por ejemplo, Libia muestra que un país con crecimiento económico puede entrar en crisis y explotar por contradicciones políticas.“
[32] Dass solche ArbeiterInnenproteste gegen imperialistische Kriege auch heute möglich sind, zeigt das Beispiel des HafenarbeiterInnenstreiks am 1. Mai 2008 an der Westküste der USA: RIO DE
[33] So arbeiten wir im Berliner Bündnis zur Solidarität mit den Aufständen in der arabischen Welt mit.
[34] RIO DE

 

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