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Ein Sieg der prekarisierten Jugend
von : Clase contra Clase (Spanischen Staat)

20 Mar 2011 | Von Asier, ein von Telepizza entlassener und nun wiedereingestellter Arbeiter. CGT Mitglied und Aktivist bei Clase contra Clase (Klasse gegen Klasse), die Gruppe der Trotzkistischen Fraktion-4. Internationale im Spanischem Staat. Lehren aus einem beispielhaften Kampf.
Ein Sieg der prekarisierten Jugend

Kannst du uns sagen wie dieser Organisierungsprozess entstanden ist?

Am 22.10 beschloss das Unternehmen mich zu entlassen, weil ich für den Generalstreik vom 29. September und einen Betriebsrat eingetreten bin. Die Kampagne um meine Wiedereinstellung hat viele Arbeiter dazu bewegt im Geheimen aktiv zu werden. Nach und nach haben sich genügend Arbeiter zusammengefunden um eine Betriebsratswahl zu erzwingen.

Was für ein Unternehmen ist Telepizza?

Telepizza ist das wichtigste multinationale Unternehmen Spaniens, das Essen nach Hause liefert. 70 Prozent der Belegschaft ist jünger als 25 Jahre. Es gibt ein hohes Maß an Prekarisierung: wir sind zu Teilzeitarbeit verpflichtet und die meisten von uns sind an miserable Verträge gebunden die uns zwischen 250 und 350 EU im Monat einbringen (der staatliche Mindestlohn in Spanien liegt über 600 EU im Monat). Außerdem haben wir keine echte gewerkschaftliche Vertretung. In der Niederlassung meiner Stadt arbeiten 333 Personen und dennoch gab es keinen Betriebsrat. In anderen Städten gibt es Betriebsräte aber diese sind aus Ìbereinkünften zwischen den Unternehmen und den Bürokraten der Gewerkschaften von CCOO (Arbeiterkommissionen, der größte Gewerkschaftsverband Spaniens) und UGT (Allgemeine Arbeiterunion) entstanden. Die Mitglieder dieser Räte sind dann Vorgesetzte oder deren Pro-Unternehmen eingestellte Vertreter. Von daher sollte es niemanden wundern, dass „unsere Vertreter“ seit Jahren Verschlechterungen in den Arbeitsbedingungen und Lohnkürzungen unterzeichnen.

Wie habt ihr den Kampf um deine Wiedereinstellung konzipiert?

Wir haben von Anfang an den Kampf um unser Recht, uns zu organisieren an den Kampf um die Erfüllung unserer Forderungen geknüpft. Auf diese Weise haben wir, ausgehend von Mitarbeitern die von einer Entlassung verschont geblieben waren, ein weiteres Feld an Unterstützern im Inneren gewonnen. Andrerseits war es uns wichtig die Unterstützung von Arbeitern aus andren Sektoren zu gewinnen, vor allem derer mit mehr Kampftradition. Wir haben uns mit Aktivisten der Gewerkschaftslinken von Firmen wie GM, Johnson and Control, Lecitrailer, Dozenten der Universität, HP, Eurocen, LEAR, dem öffentlichen Nahverkehrsbetrieb, u.a. zusammengetan und eine bleibende Einheitsfront mit ihnen gebildet. Alle Aktionen, die wir durchgeführt haben (Kundgebungen, Blockieren der Telefonleitungen, Plakatieren, ...), fanden ihre Unterstützung. Genauso haben wir an ihren jeweiligen Kämpfen teilgenommen. Auch in anderen Städten haben wir erreicht, dass Aktivisten von Gewerkschaften und linken Gruppierungen Solidaritätsaktionen gestartet haben.

Außerdem haben wir die Unterstützung anderer gesellschaftlicher Gruppen gesucht. Dies war bei der Studentenbewegung der Fall. Die „Gewerkschaft linker Studenten“ hat zusammen mit der Gewerkschaft der Angestellten der Universität „Babel“, eine Boykott- Kampagne an der Uni gestartet, sind mit der Soli-Kasse durch die Hörsäle gezogen, und haben weitere Studenten zu den Aktionen geführt... Auch haben sie eine Erklärung gegen die Entlassung verfasst, die von 85 Professoren, Dozenten und andren an der Universität arbeitenden unterschrieben wurde.

Wie wirkte sich diese Unterstützung auf die Belegschaft drinnen aus?

Viele Arbeiter wurden dadurch ermutigt sich zu organisieren und für ihre eigenen Rechte zu kämpfen. Die Unterstützung half das Unternehmen in Schach zu halten, eröffnete uns einen größeren Spielraum und zwang so manchen Filialleiter dazu, die Tatsache zu akzeptieren, dass viele ihrer Angestellten uns unterstützten. Wir haben mit den Arbeitern im Inneren, die sich mit uns solidarisiert hatten, Kontakt gehalten und in jeder geheimen Versammlungen mehr Jugendliche dazu gewonnen, die sich für eine Plattform, auf der wir für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen könnten, einsetzen. Unsere Hauptforderung ist zu dem Gaststättentarifvertrag zurück zu kehren, von dem uns die Führungen von UGT und später von CCOO im Jahr 1994 ausgeschlossen haben. Es geht einerseits darum, die besseren Bedingungen dieses Sektors, welcher unserer ist, wieder zu erlangen, andererseits, und dies ist wichtiger, eine der vielen Spaltungen der Arbeiterschaft in verschiedene Lohngruppen, um Arbeitskräfte billiger und prekärer beschäftigen zu können, wieder rückgängig zu machen. Diese Ideen haben die Einheit der Arbeiter und ihre Organisation vorangetrieben, um die verschiedenen Hürden, denen wir begegnet sind, zu überwinden.

Wie ist es euch (letztendlich) gelungen die Gewerkschaftswahlen abzuhalten?

Wir beschlossen die Gewerkschaft CCOO darum zu bitten, Betriebsratswahlen einzuberufen. Die Gewerkschaften betreffende Gesetzgebung in diesem Land ist so undemokratisch, dass keine andere Gewerkschaft außer den „mehrheitlichen“ (wie CCOO und UGT) das Recht hat zu Betriebsratswahlen auszurufen. Damit die gewerkschaftliche Linke oder nicht in der CCOO oder UGT eingeschriebene Arbeiter die Organisation der Arbeiter vorantreiben können, müssen sie zunächst die Unterschriften von 51% der Belegschaft sammeln - eine Anforderung, der in Sektoren wie diesem, in denen Gewerkschaften unterdrückt werden, unmöglich nachzukommen ist. Wir mussten also doppelte Geheimhaltung wahren: Einerseits gegenüber der Firma und andererseits gegenüber der (gewerkschaftlichen) Bürokratie, die, wenn sie unsere Forderungen gekannt hätte, nie die Betriebsratswahlen einberufen hätte. Unser Maximalziel war es, uns für CCOO aufstellen zu lassen, allerdings mit einem Programm, welches die Verrätereien ihrer Führungen hinterfragte. Dies sollte Teil des Kampfes darstellen, den wir Arbeiter kämpfen müssen, um unsere Organisationen, die Gewerkschaften, im großen Stile zurückzugewinnen. Allerdings wurde uns dieser Kampf verwehrt, bevor wir ihn überhaupt anfangen konnten. Als die KollegInnen mehrheitlich entschieden, unsere Forderungen öffentlich und für die ArbeiterInnen aller Filialen zugänglich zu machen, strich uns die Leitung von CCOO von ihrer Liste. Letztendlich haben wir eine Liste im Namen der CGT gebildet, eine Gewerkschaft der gewerkschaftlichen Linken.

Wie haben das Unternehmen und die Gewerkschaftsbürokratie reagiert?

Sie haben eine starke Kampagne gegen uns gestartet. Das Unternehmen hat offen eine Liste mit Vorgesetzten aufgesetzt, welche bei UGT angetreten ist, und hat CCOO geholfen etwas ähnliches zu erreichen. Die Unternehmer und die beiden Listen der gewerkschaftlichen Bürokratie haben eine „heilige Allianz“ gegen uns geschlossen. Verleumdungen, Gerüchte, Lügen... welche uns vor allem in Filialen schlecht machten, in denen wir keine Leute hatten. Auch gab es Drohungen gegen Viele, die auf unserer Liste standen. Einige wenige waren davon dermaßen eingeschüchtert, dass sie von der Liste abgesprungen sind. Wir haben darauf offensiv reagiert und in der Stadt eine Kundgebung gegen die Unterdrückung von Gewerkschaften organisiert, zusammen mit der gewerkschaftlichen Linken an der Demo gegen den Sozialpakt (im Geiste der Sozialpartnerschaft, A.d.Ì.) von CCOO und UGT teilgenommen, sind durch alle Filialen gezogen um unsere Forderungen zu erklären und den Verrat der mehrheitlichen Gewerkschaften an den Arbeitern unseres Unternehmens und in der Zusammenarbeit mit der Regierung offen zu legen... Das Unternehmen wollte uns liquidieren, wollte uns als eine Truppe Verrückter darstellen, die keine Unterstützung genießen.

Und ist ihnen dies letztendlich gelungen?

Gar nicht. Wir hatten bei unserem Kampf viel Gegenwind. Wir haben nicht nur der Kampagne des Unternehmens und der Gewerkschaftsbürokratie die Stirn geboten, sondern auch den tieferen Auswirkungen derer Politik auf die Reihen der alten und jungen Arbeiter. Während die Krise 40 Prozent der Jugendlichen zu Arbeitslosigkeit verdammt, einigt sich die Gewerkschaftsbürokratie mit der Regierung darauf, das Rentenalter zu erhöhen... So wird Zermürbung und Skepsis gesät.

Trotz alledem haben wir es geschafft, nahezu 30 Prozent der Belegschaft hinter uns zu bringen und uns als zweitstärkste Kraft mit 4 Vertretern zu etablieren. Das ist ein guter Ausgangspunkt, um den Organisierungsprozess in unserem Unternehmen weiter zu vertiefen und von dort aus die Arbeiterreihen zu stärken, die dazu bereit sind, die Sozialverträge Zapateros und der Gewerkschaftsbürokratie zu kippen. Jetzt diskutieren wir gerade Vertreter für jede Filiale und jeden Bereich zu wählen, um so die Organisation der Arbeiter zu stärken und zu erweitern, und den Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie einzudämmen. Auch überlegen wir, wie wir mit unserer gewerkschaftlichen Fraktion bei Telepizza, zur Organisation und Koordination junger Arbeiter anderer Firmen beitragen können.

Wie ordnest du eure Erfahrung angesichts der Situation in Spanien und der Welt ein?

Die Bonzen laden die Krise auf brutale Art und Weise auf unsere Schultern ab. Alle Regierungen setzen Anpassungsmaßnahmen historischen Ausmaßes gegen die Arbeiter durch... dennoch gibt es klare Indizien dafür, dass dies von den Arbeitern und der Jugend nicht hingenommen wird. Wir haben es in Griechenland, in Frankreich, Italien und auch Irland gesehen... In Tunesien, Ägypten und der gesamten arabischen Welt sehen wir das ganze noch zugespitzter. Im Spanischen Staat trägt die verbrecherische Politik der Gewerkschaftsbürokratie dazu bei, dass die Krise und die Angriffe Zapateros ohne große Antwort der Arbeiter durchgehen. Der 29. September hat gezeigt, dass wichtige Sektoren der Arbeiterschaft zum Kampf bereit waren, aber die Führungen von CCOO und UGT uns nach Hause geschickt haben, um einen Moncloa-Pakt[1] mit der Regierung zu schließen.

Ich denke unser Beispiel hat gezeigt, dass es möglich ist zu kämpfen. Weder haben junge Arbeiter einen Grund, sich mit dem miserablen Erbe Jahrzehntelanger neoliberaler Offensive abzufinden, noch die Bestimmung zu akzeptieren, wir müssten in Zukunft schlechter leben als unsere Eltern. Unsere Hauptforderung, die Rückkehr zum Gaststättentarifvertrag, stellt ein Attentat auf eine der größten Errungenschaften der Bourgeoise in den letzten Jahren dar: die Teilung der Arbeiterschaft. Auch ist unsere Art uns zu organisieren und zu kämpfen, eine, die das „gewerkschaftliche Model“, hinterfragt, das uns sehr hilflos in die gegenwärtige Krise geführt hat: Der von uns geforderte Betriebsrat, die Solidarität mit anderen sich im Arbeitskampf befindende Sektoren, die Solidarität mit den Studenten, der Versuch, das alles zu koordinieren... Die am meisten ausgebeuteten Sektoren der Arbeiterschaft wurden von der Gewerkschaftsbürokratie weder geholfen, noch sind sie von ihnen organisiert worden. Es ist an der Zeit, mit unserer Organisation voranzukommen und uns mit den traditionsreicheren Sektoren zusammenzutun, die den Sozialverträgen trotzen wollen. Es geht darum, die Arbeiterbewegung nach Jahren von Rückschritten wieder auf die Beine zu stellen. Gleichzeitig glaube ich, dass wir Arbeiter und Jugendlichen, die auf die Straße gehen, anfangen müssen das Problem von Grund auf anzupacken.

Wenn wir für diese Krise bezahlen müssen, dann, weil keine Regierung für uns regiert, sondern für die Kapitalisten. Es ist also Zeit, dass wir Kämpfer uns politisch organisieren, um Schritte in Richtung einer revolutionären Arbeiterpartei zu tun. Diese muss das Ziel haben, diejenige Klasse von der Macht zu verdrängen, die während der Diktatur und der Demokratie regiert hat, und sie durch eine Regierung der Arbeiter und der veramten Massen zu ersetzen. Diese Krise wird wichtige Schlachten und Revolutionen mit sich bringen und auf diese müssen wir uns vorbereiten. Ich hoffe, dass die vielen kleinen Schlachten, die wir schlagen werden, uns wachsen lassen und uns auf den Sieg vorbereiten.

Saragossa

Wir von Clase contra Clase finden es wichtig, dass wir anfangen, uns zu organisieren um gegen diese Situation anzukämpfen, in die wir gebracht wurden. Aus diesem Grund nehmen wir aktiv an dem von den KollegInnen bei Telepizza von der CGT vorgebrachten Vorschlag teil, ein Treffen für junge ArbeiterInnen und couragierte Studierende zu organisieren. So gehen wir, zusammen mit prekären jungen ArbeiterInnen aus verschiedenen Sektoren und Studierenden, die ersten Schritte, die nötig sind um den Kampf der Studierenden mit dem der restlichen ArbeiterInnen zu vereinen. Wir setzen auf ein Treffen, an dem man einen organisierten Plan als Antwort auf die Regierung zu ihrer Arbeitsmarktreform, Rentenreform, usw. diskutieren kann...


Fußnote

[1] Der Moncloa-Pakt aus dem Jahre 1977 ist ein Stabilitätspakt zwischen dem Kapital und den bürgerlichen Parteien. Für die Arbeiterklasse bedeutete dieser Pakt Massenarbeitslosigkeit und brutaler Lohnverlust.

Ìbersetzung: Sergei

 

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