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Ein Interview zum Kampf gegen prekäre Arbeit im spanischen Staat mit Asier, entlassener Arbeiter beim Fastfood-Multi Telepizza

„Wir hören nicht auf, bis wir siegen!“

05/01/2011

„Clase contra Clase“, die Gruppe der Trotzkistischen Fraktion im Spanischen Staat, interviewte am 11. November unseren Genossen Asier. Er war aufgrund seines Engagements für eine gewerkschaftliche Organisierung an seinem Arbeitsplatz bei der spanischen Fastfood-Kette „Telepizza“ und der Unterstützung des Generalstreiks am 29. September gegen die Arbeitsmarktreform entlassen worden. Asier ist ein 23Jahre junger Arbeiter, der von dem miserablem Lohn, den Telepizza seinen Beschäftigten zahlt, lebte und er ist sowohl Mitglied von „Clase contra Clase“ als auch der Gewerkschaft linker Studierenden an der Universität von Saragossa, wo er Geschichte studiert. Zusammen mit der Gewerkschaft, in der er Mitglied ist (CGT) und anderen gewerkschaftlichen Organisationen wird eine starke Kampagne für seine Wiedereinstellung und das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung in diesem Unternehmen voran getrieben.


Erzähl uns wie der Konflikt begann, warum wurdest Du entlassen?

Ich arbeitete seit über zwei Jahren als Aushilfskraft im Telepizza Laden im Zentrum von Saragossa. Am 22. Oktober beschloss das Unternehmen mich zu entlassen. Im offiziellen Entlassungsbrief hieß es, ich sei „wenig produktiv“, was absolut falsch ist. Es gibt Formulare zur „Produktivität“ (abhängig von der Anzahl an Angeboten, die per Telefon gemacht werden), die das komplette Gegenteil zeigen. Außerdem erkennt das Unternehmen neben seinen Ausreden selbst an, dass die Entlassung völlig unbegründet ist.

Die Gründe waren völlig andere. Die Filialleiterin und ihr Vertreter schlossen sich mit mir in ihrem Büro ein, um mir klar zu machen, dass „sie es nicht zulassen würde, dass irgendein Arbeiter schlecht über den Tarifvertrag rede, und erst recht, dass er dies mit dem Rest der Kollegen tue und sogar versuchen würde einen Betriebsrat zu gründen“. Denn in den Wochen vor dem Generalstreik am 29.September hatte ich vorgeschlagen, eine Versammlung zu organisieren, um über die Arbeitsmarktreform und über die Notwendigkeit von Betriebsräten bei Telepizza zu diskutieren um für unsere Rechte zu kämpfen.

Die Geschäftsführung entschloss sich, mir die Kündigung anzukündigen, weil sie dachten, dass sie durch meinen Rausschmiss den Prozess zur Selbstorganisierung der Arbeiter abbrechen könnten – doch sie haben sich getäuscht.

Was für ein Unternehmen ist Telepizza? Wie ist die Belegschaft zusammengesetzt?

Telepizza ist ein multinationaler Konzern, der Ende der 80er das amerikanische „Fast Food“-Modell kopierte. Er beschäftigt seine Arbeiter unter miserablen Arbeitsbedingungen, wodurch er enorme Gewinne einfahren konnte und so nicht nur auf nationaler sondern auch auf internationaler Ebene expandieren konnte. So gibt es mittlerweile läden in Portugal, Polen, Chile, Zentralamerika und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nun wollen sie auch 1000 neue Filialen in China eröffnen. Der Aktionärsgewinn von 500 Millionen Euro im Jahr 2009 wurde durch löhne von 250 bis 350 Euro garantiert.

Bei Telepizza sind 70 Prozent der Belegschaft unter 25 Jahre alt. Während der letzten zwei Krisenjahre hat sich ihre soziale Zusammensetzung sehr gewandelt. So gibt es heute nicht nur junge Studenten, sondern auch viele junge Arbeiter, oft bereits Familienmütter oder -väter. Angesichts der Angst, sich in die Schlange der Arbeitslosen einreihen zu müssen, sehen sich viele dazu gezwungen, so beschissene Verträge wie die bei Telepizza zu unterzeichnen.

Welche gewerkschaftlichen Rechte haben Arbeiter in solch einem Unternehmen?

Gar keine. Das Unternehmen hat es aufgrund meherer Faktoren über Jahre geschafft uns diesen Bedingungen zu unterwerfen. Einerseits hat die Geschäftsführung uns unter Mithilfe der Führungen von Gaststätten- und Hotelleriegewerkschaften wie der UGT und CCOO vom allgemeinen Tarifvertrag im Gaststättengewerbe ausgeschlossen, indem sie einen separaten Tarifvertrag für Lieferservices schafften. Andererseits erstellten sie verschiedene Arbeitsbezeichnungen innerhalb der Firma, die die Belegschaft spalten, so zum Beispiel die Filialleiter.

Auf diese Art und Weise ist es für das Unternehmen leichter, gewerkschaftliche Vertretungen zu verhindern oder Betriebsräte zu erkaufen, die durch Filialleiter oder Personalchefs geführt sind, denen kein Arbeiter vertraut. Diese verfälschten Betriebsräte werden unter der Mithilfe der Gaststätten- und Hotelleriegewerkschaften UGT und CCOO oder anderen wie der OSTA in Aragón eingesetzt. Sie unterzeichnen alle vom Unternehmen vorgelegten Lohnkürzungen.


Was habt Ihr direkt nach der Entlassung unternommen?


Gleich am Tag nach meiner Entlassung haben wir einen Streikposten vor dem Laden, wo ich arbeite, organisiert und die Leute informiert, um zu erreichen, dass sie den Laden nicht betreten. Ehrlich gesagt haben wir es geschafft, dass die Menschen sich solidarisch zeigten und nicht zum Verzehren in den Laden gegangen sind. Außerdem habe ich gleich Rücksprache mit dem Anwalt unserer Gewerkschaft CGT gehalten, um vor Gericht die Unzulässigkeit der Entlassung aufgrund von gewerkschaftlicher Verfolgung einzuklagen. Wir haben dann auch begonnen, Verbündete unter anderen Sektoren der Arbeiter- und Studentenschaft zu suchen.

Mit welcher Unterstützung konntet Ihr rechnen?

Mit der unserer Gewerkschaftsgenossen, Freunden und Familien, aber auch mit anderen solidarischen Arbeitern. Wir haben bei allen möglichen Gewerkschaften um Hilfe gebeten, und dieser Hilferuf wurde sofort erhört. In der Woche nach der Entlassung organisierten wir mit ihnen Streikposten und Informationsstände vor fast allen läden in Saragossa. Neben der CGT unterstützten uns und mehrere Gewerkschaften (SOA, CATA, STEA) und politische Organisationen („Clase contra Clase“, die Antikapitalistische Linke, Partido Comunista de los pueblos de España (PCPE), Block der Aragon-Unabhängigkeitsbewegung). Auch in Barcelona wurde eine Barrikade vor einem Laden durch Genossen organisiert. Wir forderten den Bund der Gaststättengewerkschaften (FECHOT) dazu auf, sich an den Mobilisierungen zu beteiligen, doch bis jetzt haben sie nur eine schriftliche Erklärung abgegeben, doch wir versuchen es weiterhin.

Mit dabei waren Arbeiter von Opel, Johnson Control, von der Uni, Bus- und Bahnfahrer der Stadt, einige LKW Fahrer von Lecitrailer und auch vom Computerhersteller HP (wo jetzt Entlassungen anstehen)…alle blockierten solidarisch irgendeinen Laden von Telepizza. Diese Solidarität wiederholte sich am Samstag drauf, als sie alle bei einer Anrufswelle unterstützen, die dazu führte dass in den vier zentralen Telepizza läden der Stadt die Telefonvermittlung zusammengebrochen ist. Diese Solidarität unter Arbeitern wird von dem Unternehmen gefürchtet und führte letztendlich dazu, dass die Belegschaft sich moralisierte und nicht das Gefühl hat, alleine vor den Bossen dazu stehen.

Ich glaube, dass es gerade die am meisten ausgebeuteten und unorganisierten Teile der Arbeiterschaft sehr wichtig ist, die Unterstützung organisierten Arbeiter mit mehr Kampftradition zu suchen. Ohne diese Verbindung wäre es unmöglich, einen einsamen Kampf anzutreten, denn wir als prekäre Beschäftigte würden letztendlich allein und isoliert da stehen.

Und welche Forderungen stellt Ihr? Kämpft Ihr für Deine Wiedereinstellung?

Als aller erstes sind für die Wiedereinstellung. Ich wurde entlassen, weil ich die armseligen Bedingungen, unter denen wir prekär Beschäftigte bei Telepizza leiden, kritisierte und einen Kampf dagegen organisieren wollte. Wenn meine Entlassung durchgeht, dann bedeutet das einen schweren Schlag gegen zukünftige Versuche, einen Betriebsrat zu gründen und für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen derer zu kämpfen, die dort noch arbeiten. Daher fordern wir neben der Wiedereinstellung die Freiheit für Arbeiter, sich gegen ihre Chefs zu wehren, Betriebsräte zu wählen und so für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ich bin nicht bereit, die Entlassung zu akzeptieren und mich mit einer Abfindung (so hoch sie auch sein mag) aus dem Staub zu machen ohne nicht bis zur Ausschöpfung aller Kräfte bis zu Ende gekämpft zu haben.

Ich bin überhaupt nicht mit der Politik vieler gewerkschaftlicher Organisationen einverstanden, die letztendlich dem Beschäftigungsverfall erlauben, die die Bosse auferlegen. Wir können Abfindungen, so hoch sie auch sein müssen, nicht als einzigen Ausweg akzeptieren, denn so würden wir unserer eigenen Klasse einen sehr schwachen Gefallen tun. Warum gibt es mehr als 4 Millionen Arbeitslose? Mit einer oder hunderten von Entlassungen, die ohne den Widerstand der Arbeiterklasse durchgehen, zersprengen uns die Unternehmen und sie werden gestärkt, weil sie sich bestärkt fühlen für weitere und weiter reichende Angriffe, die man vielleicht nicht selbst aushalten muss, aber der Rest der Belegschaft die noch arbeitet. Und dies haben wir schon bei Unternehmen wie zum Beispiel Opel sehen können, dort wo nicht gekämpft wurde und nun die Bosse nach ihrem Geschmack handeln können.

Meine Entlassung beruht nicht auf zu geringen Gewinnen des Unternehmens, sondern auf dem Versuch, jeglichen Prozess zur Organisierung der am meisten ausgebeuteten Arbeiter zu unterdrücken. Und ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass meine Entlassung der Zähmung meiner Arbeitskollegen dient, damit sie auf lange Sicht noch schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen.

Was sind die wichtigsten Probleme bei Telepizza?

Alles. Zum Beispiel haben die Zusteller keine anständigen Motorroller. Es gibt kaum Rückspiegel oder Blinker und so können fast jeden Monat gefährliche Unfälle auf den Straßen verzeichnet werden. Obwohl wir fast die ganze Schicht auf dem Roller sitzen, werden wir nicht als professionelles Fahrpersonal anerkannt und so kann man persönliche Führerschein-Punkte und Bußgelder nicht vermeiden. Die Hilfskräfte müssen tausende von Angeboten per Telefon anbieten, was auf keine Art und Weise vergütet wird. Uns werden die Stunden gekürzt, und somit unser Lohn. Die Neueingestellten dürfen nur 24 Stunden im Monat arbeiten – für 125 Euro! Dann werden aber viele von uns auch dazu gezwungen, außerhalb unserer offiziellen Arbeitszeiten zu arbeiten und so weiter und so weiter. Dies ist alles Teil des Drecks vom Tarifvertrags für Lieferservices, in dem es weder Zuschläge für Nacht- und Feiertagsschichten oder Gefahrenzulagen gibt.

Vorher waren wir unter dem Tarifvertrag des Gaststättengewerbes angestellt, wo es bessere löhne und viel mehr Vorteile gab, doch mitten in der neoliberalen Offensive um 1994 wurde uns dieser Tarifvertrag weg genommen und ein neuer (Lieferservice) erfunden. So wurden wir zu einem Sack an billigerer und noch ausgebeuteter Arbeitskraft und vom Rest der Unternehmen in der Branche isoliert. Das schlimmste an alle dem, wie ich Dir schon sagte, ist dass all dies unter der Zustimmung der Gewerkschaftsführungen der UGT und CCOO gelaufen ist.

Neben der Solidarität unter Arbeitern, von der Du berichtest – Habt Ihr auch an anderen Stellen Unterstützung gesucht?

Ja. Sofort nachdem meine Entlassung bekannt wurde, haben wir ein Telepizza-Boykott an der ganzen Uni von Saragossa angestoßen, zusammen mit der Gewerkschaft linker Studenten und der Gewerkschaft der Universitätsbeschäftigten „Babel“. Wir sind durch die Hörsäle gegangen, haben den Konflikt erklärt und auch um Geld für die „Widerstandskasse“ gebeten.

Außerdem hatten wir sehr viel Unterstützung von Professoren. Sie haben eine Art Manifest gegen die Entlassung verfasst und 85 Unterschriften von Lehrenden und Beschäftigten der Universität gesammelt. Darunter waren auch angesehene Historiker wie Julian Casanova, Jose Luis Corral oder der Vizepräsident der Studentenschaft Fernando Zulaica.

Wir glauben, dass wir durch das Hinaustragen des Konflikts aus dem Betrieb, sehr wichtige Unterstützung innerhalb der Öffentlichkeit erlangt haben, denn diese Erfahrung ist „nicht erfunden“. Die Arbeiter der 70er Jahre haben dies auch so gemacht, oder auch noch vor kurzem. So haben die Fahrer des öffentlichen Nahverkehrs Barcelonas (TMB) in ihrem Kampf um zwei arbeitsfreie Tage pro Woche die Unterstützung der Bevölkerung gewonnen, indem sie ein „Komitee der solidarischen Nutzer“ ausriefen und sogar eine spezielle Flugschrift entwarfen, die sie unter Studenten und Arbeitern verteilten.

Der von Euch geführte Kampf fällt zeitlich mit anderen Konflikten zusammen, so wie bei HP, ERE oder LEAR, dessen Arbeiter vor kurzem sogar von der Polizei geschlagen wurden um den Zugang von Streikbrechern zu General Motors zu gewährleisten. Habt Ihr irgendeinen Kontakt zu ihnen? Gibt es Ähnlichkeiten zwischen ihrem und Eurem Kampf?


Ja, wir waren bei den Mobilisierungen von HP und letztens bei TUZSA (Nahverkehr) dabei, und als wir mit bekamen, wie repressiv gegen die Genossen von LEAR vorgegangen wird, sind wir sofort los um ihre Streikposten zu unterstützen. Auch sie haben genau an unseren Mobilisierungen teilgenommen und uns unterstützt. Gerade bereiten wir eine Kundgebung aller Arbeiterkämpfe vor, die es gerade in Saragossa gibt. Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Konflikten besteht darin, dass in all ihnen ein Angriff auf die Arbeiterklasse vorgenommen wird, sei es durch Werksschließungen, durch Entlassungen, Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse oder im Beschneiden gewerkschaftlicher Freiheiten.
Wir setzten uns dafür ein, all diese Konflikte zu einem zusammen zu führen. Durch die Unterstützung anderen Belegschaften, die sich gerade in einem Konflikt befinden, wird jedem Genossen Kraft gegeben und nur so können wir aus der Isolation austreten. Wenn wir die Forderungen aller Konflikte in einer einzigen Stimme vereinen, dann gewinnen wir immer mehr Sektoren der Arbeiterklasse, können der Arbeiterbewegung mehr Anstoß verleihen und den Kapitalisten einen wahrhaften Stich verpassen. Unsere Losung ist „wir hören nicht auf, bis wir siegen“ und „wenn sie einen von uns antasten, tasten sie uns alle an“. Und in diesem Prozess des Kampfes müssen wir den Klassenkonflikt weiter verbreiten und die Probleme der anderen Sektoren der Arbeiterklasse als unsere eigenen annehmen.

Wie sieht gerade Deine ganz persönliche Situation aus? Wie geht es Dir?

Persönlich geht es mir gut, denn ich stand mit meiner Entlassung nicht alleine da. Familienmitglieder, meine Freunde und Genossen anderer Gewerkschaften waren mit mir zusammen bei den Mobilisierungen. Außerdem ist die „Widerstandskasse“, die wir eröffnet haben damit ich während wir kämpfen überleben kann, eine riesige finanzielle Hilfe, da ich so in etwa den Betrag meines Gehaltes bekomme. Ich bekomme sehr große Unterstützung von außen, aber gleichzeitig aus dem Laden selbst, die aber natürlich nur geheim ausgedrückt werden kann.

Vielleicht kannst Du mir dies noch genauer erklären: der Kampf wird aufgrund des ultrarepressiven Charakters des Unternehmens außerhalb geführt, aber wie sieht es innen drin aus? Was denken Deine Arbeitskollegen?

Die externe Unterstützung kommt ja nicht nur mir zu Gute, auch im Unternehmen hat das sehr wichtige Auswirkungen. Die große Mehrheit der Auflieferer und Hilfsarbeiter, nicht nur in meinem Laden sondern auch in anderen, haben auf die eine oder andere Weise ihre Solidarität gezeigt. Doch man muss sich leider daran erinnern, dass wir aus Sicherheitsgründen nicht mehr Details erzählen können, denn letztendlich herrscht bei Telepizza immer noch die Diktatur der Bosse.

Glaubst Du, dass der Kampf von Telepizza ein Beispiel für die hundert tausenden von prekär Beschäftigten darstellen kann?

Zunächst ist erstmal zu sagen, dass die Gewerkschaftsführungen der CCOO und der UGT seit den 70er Jahren schrittweise Kürzungen unterzeichnet haben, die unsere Klasse gespalten hat, (mit tausenden von Kategorien: Festangestellte, temporär Beschäftigte, Teilzeitarbeiter, Praktikanten, Leiharbeiter, Zeitarbeiter, Schwarzarbeiter, Arbeiter ohne Papiere…) was zu einem Ausbremsen der Reaktionskraft vieler Sektoren geführt hat, gerade die am meisten ausgebeutet sind und heute am stärksten von der Krise betroffen sind. In Wahrheit hat die Gewerkschaftsbürokratie mit jeder neuen Spaltung, jedem neuen Verrat nicht nur das Vertrauen in unsere eigen Kräfte und Aktionen erschüttert, sondern auch großen Teile der Jugend die Motivation zur Organisierung und zum Kampf genommen.

Ich hoffe, dass unser Kampf als Beispiel voran geht. Es ist möglich zu siegen. Es ist möglich, das wir als prekäre Jugend uns organisieren und das zurück gewinnen, was wir in all diesen Jahren verloren haben, indem wir uns auf die Arbeiter mit längerer Erfahrung stützten, die besser organisiert sind, und in ihren Betrieben konzentrierter zusammen sind.

Welchen Zusammenhang siehst Du zwischen Eurem Kampf und der allgemeinen Situation? Letztendlich war doch für dein Unternehmen „der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte“ der Versuch eine Versammlung für den Generalstreik am 29. September zu organisieren.

Der Zusammenhang ist ganz klar. Die Verantwortung für unsere Situation bei Telepizza liegt zum großen Teil bei genau denjenigen, die fast während der ganzen Krise keinen Finger gerührt haben, die Gewerkschaftsführungen der CCOO und der UGT. Dass es mehr als 30% prekäre Arbeit im spanischen Staat gibt, ist Resultat von Jahren der „Sozialpartnerschaft“. All dies hat die Möglichkeiten zur Organisierung und des Kampfes der Arbeiterklasse stark geschwächt, vor allem bei den schwächsten Sektoren wie dem unseren. Trotz alledem hat der 29. September die Kampfbereitschaft der Arbeiter gezeigt. Es stachen vor allem die der Industrie und des Transportwesens hervor, doch auch wir Prekärbeschäftigte haben mit gemacht (aus meinem Laden mehr als die Hälfte) und andere haben zwar nicht am Streik, jedoch an den massenhaften Demonstrationen teilgenommen.

Danach steckten uns die Gewerkschaftsführungen sozusagen in den „Gefrierschrank“, das heißt sie wollen nicht weiter mobilisieren, auch wenn die Regierung der Bosse, also die Zapatero-Regierung, weiter voran schreitet. Doch es wird ihnen nicht leicht fallen, den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten. Viele Unternehmen und Sektorten sind dabei sich zu organisieren und kämpfen gegen die Auswirkungen der Krise und der Arbeitsmarktreform.

Ich denke, dass wenn wir es schaffen diese Kämpfe von unten aus zu organisieren, durch Versammlungen, die sich untereinander koordinieren, wenn wir unsere konkreten Forderungen mit den allgemeinen Angriffen verbinden (sowohl die, die jetzt gestartet werden, als auch die schon „vererbten“ Angriffe)…dann könnten wir das Kampfvermögen und die Widerstandskraft der Arbeiter wieder erlangen und den Gewerkschaftsführungen der CCOO und der UGT eine andere Politik aufdrängen, die bis zum Siege kämpf und so auf lange Sicht diese großen Gewerkschaften zurück erobern und denjenigen aus den Händen nehmen, die sie heute mehr in Gedanken an die Zufriedenheit der Regierung führen, als um uns wirklich zu verteidigen.

Für mich zeigt das Beispiel Frankreichs, dort wo Arbeiter der Raffinerien, Hafenarbeiter und anderer Branchen, gemeinsam mit der Jugend den unbefristeten Generalstreik mehrere Wochen der Rentenreform entgegen gestellt haben, dass es möglich ist Schritte zur Ìberwindung der verräterischen Art der Gewerkschaftsführungen zu gehen um einen Kampf bis an sein Ende zu führen.

Letzte Frage, wenn Du auch im Interview schon Teile einer Antwort angeschnitten hast: Ist unsere Generation dazu verdammt „schlechter als unsere Eltern zu leben“? Sind wir also Opfer eines äußerst starken und andauernden Rückgangs unserer Lebensbedingungen?

Ich denke, dass dies die Pläne der CEOE (Unternehmerverband), der PP (Konservative) und der PSOE (Sozialdemokraten) hier wie im übrigen Europa und weltweit sind. Ich betrachte die aktuelle Krise nicht als eine Art vorübergehender Episode, sondern (wie sie [die Regierenden und Bosse, A.d.Ì] selber sagen), diese Krise ist „historisch“ und sie wollen aus ihr heraus kommen, indem sie die noch übrig gebliebenen Errungenschaften, die Arbeiter durch Jahrzehnte erkämpf hatten, beseitigen. Nun gut, diese Partie gilt es erst noch zu spielen.

Meiner Ansicht nach, müssen wir die Kämpfe die wir als Arbeiter heute anführen als Klassenkämpfe ansehen, damit sie uns erlauben eine kämpferische und von der Basis geführte Arbeiterbewegung zu schaffen, die Methoden des Klassenkampfes wie Versammlungen, proletarische Solidarität, Zusammenführung der Kämpfe, die Einheit von Studierenden- und Arbeiterkämpfen…wieder erobert…die zudem Forderungen aufnimmt wie „Die Kapitalisten sollen für die Krise zahlen“ und „Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich“ zur Beendung der Arbeitslosigkeit… alles auf Kosten der Gewinne der Banken und Konzerne. In diesem Sinne ist eine unser aller ersten Aufgaben die Schaffung einer Einheit unter den Arbeiterreihen, zwischen Leiharbeitern und Festangestellten, mit und ohne Papieren…und wie in unserem Fall zwischen den prekär Beschäftigten und denen mit besseren Bedingungen, um den ausgrenzenden Tarifvertrag für Lieferservices zu beenden und dafür zu kämpfen, uns als Arbeiter des Gaststättengewerbes anzuerkennen.

Es geht darum, die Arbeiterbewegung nach Jahren des Rückschritts und der käuflichen Führungen wieder auf die Beine zu stellen. Und gleichzeitig müssen wir Arbeiter und in den Kampf ziehende Jugend, uns dem grundsätzlichen Problem stellen. Wenn immer nur wir hinhalten und für alles zahlen müssen, dann doch deshalb, weil diejenigen, die alle Reichtum produzierenden Mittel besitzen und die politische und mediale Macht innehalten, eben nicht wir sind, sondern eine kleine parasitenhafte Minderheit. Genauso wie wir es in den letzten Jahren „vergessen“ haben, was es heißt gegen Entlassungen zu kämpfen, so hat man uns auch verklickert, dass wir Arbeiter nicht mehr anstreben sollten als die Wahl welcher der Repräsentanten der Bosse uns nun regieren soll. Es ist also Zeit, dass wir uns und unseren Kampf politisch organisieren. So gehen wir Schritte hinzu dem Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei, die das Ziel vor Augen hat, die Macht derselben sozialen Klasse, die sowohl während der Diktatur als auch während der Demokratie regierte zu räumen, um eine Regierung der Arbeiter und Unterdrückten zu errichten. Ich denke, dass diese Krise wichtige Auseinandersetzungen mit sich bringen wird, wie wir zum Beispiel in Frankreich oder vorher in Griechenland sehen konnten, und dafür müssen wir uns vorbereiten.

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