FT-CI

Griechenland: Streik bei Eleftherotypia

24/04/2012

Interview mit Konstantina Daskalopoulou, Journalistin bei der griechischen Zeitung Eleftherotypia, deren Beschäftigte sich seit Mitte Dezember 2011 im Streik befinden. //

Stefan Schneider

RIO: Dina, Du arbeitest für eine der größten griechischen Zeitungen, Eleftherotypia, die stark von der gegenwärtigen Krise getroffen wurde. Wie schlug sich die Krise auf eure Arbeitsbedingungen nieder?

Dina: Wir haben unsere löhne seit August nicht mehr bekommen. Dennoch haben wir, um die Zeitung zu unterstützen, mehrere Monate unbezahlt weitergearbeitet. Aber irgendwann ging das einfach nicht mehr. Wir merkten: Unsere Bosse wollten uns klein kriegen, immense Lohnkürzungen hinzunehmen. Deshalb traten wir am 22. Dezember den unbefristeten Streik an. Um zu überleben, unterstützt uns ein Solidaritäts-Netzwerk, welches uns Essen und Geldspenden bereitstellt. Doch der Streik hatte keinen Effekt auf die Entscheidung unserer Bosse, weshalb wir entschieden, eine Streikzeitung unter unserer eigenen Kontrolle herzustellen (“Die ArbeiterInnen (von Eleftherotypia)”), um den Streik weiterfinanzieren zu können. Wir taten das aber auch, um nicht den Kontakt zu unseren Lesern und Leserinnen zu verlieren und von den Kämpfen aller Arbeitenden in Griechenland zu berichten. Griechenland ist momentan ein Experimentierfeld für neoliberale PolitikerInnen – und dabei ein Schlachtfeld für uns alle.

Wie funktioniert die Produktion der Streikzeitung?

Zu allererst haben wir eine regelmäßige Hauptversammlung, die alle Entscheidungen bezüglich des Streiks trifft. Alle 870 Angestellte der Zeitung – Putzkräfte, JournalistInnen und DruckerInnen – haben je eine Stimme, was auch eine Art neue Solidarität unter den Arbeitenden erzeugt, die davor noch nicht existierte. Um die Entscheidungen der Hauptversammlung umzusetzen, wählten wir einen 15-köpfigen ArbeiterInnen-Rat (in dem leider nur 3 Frauen sind). Dabei gilt das direkte Mandat, welches jederzeit durch die Hauptversammlung widerrufbar ist. Dieses Kommittee hat die Aufgabe, mit den AnwältInnen und dem Solidaritätsnetzwerk in Kontakt zu bleiben, öffentliche Veranstaltungen zu organisieren usw.

Als wir uns dazu entschieden haben, unsere Streikzeitung zu veröffentlichen, gründeten wir auch einen Zeitungs-Rat, der die Aufgabe hat, die Ausgaben zu editieren, die wir schreiben. Bisher haben wir zwei Aufgaben unserer Zeitung “Die ArbeiterInnen” produzieren können. Die erste Ausgabe wurde mit Hilfe von JournalistInnen, FotografInnen und DruckerInnen hergestellt, die unbezahlt arbeiteten, um die Herstellung möglich zu machen. Allein durch unser Solidaritätsnetzwerk und durch Einsatz von sozialen Netzwerken im Internet haben wir von dieser Ausgabe mehr Stück verkauft als jede andere Zeitung in Griechenland. Durch die Einnahmen konnten wir die zweite Ausgabe fertig stellen und dabei helfen, den Streik am Leben zu halten. Wir haben keinerlei Werbemöglichkeiten und können die Infrastruktur des Unternehmens nicht nutzen. Denn als die Bosse davon Wind bekamen, dass wir eine Streikzeitung machen, haben sie zuerst die Heizung ausgedreht, und uns dann den Zugang zum Veröffentlichungssystem und den Büroräumen versperrt. Mit Hilfe unserer Solidaritätsnetzwerkes haben wir aber beweisen können, dass wir auch ohne unsere Bosse eine Zeitung machen können.

Welche Debatten führen die ArbeiterInnen miteinander?

Bei der Hauptversammlung, an der für gewöhnlich 150 bis 550 Leute teilnehmen, wird nicht nur über den Streik geredet, sondern auch über Politik im Allgemeinen. Die Sitzungen dauern meistens ziemlich lang, was uns aber die nötige Zeit gibt, unsere Meinungen wirklich auszudrücken und über unsere Situation und unsere Möglichkeiten, Aktionen durchzuführen, nachzudenken. Nicht nur über unsere eigene berufliche Zukunft, sondern auch darüber wie wir uns allgemein Zeitungen und unsere Leben vorstellen und wünschen würden.

Diese Debatten sind sehr offen. Es gibt auch noch ArbeiterInnen, die unseren Boss unterstützen oder meinen, wir sollten eine Auszahlung arrangieren und einfach aufgeben, oder welche, die sich neue Bosse suchen wollen. Und dann gibt es auch so Verrückte wie mich, die sagen, dass wir die Zeitung unter die volle Kontrolle der Arbeitenden stellen sollten. Die meisten sind im Moment für den Vorschlag, den legalen Weg zu gehen und unsere Bosse so sehr unter Druck zu setzen, dass sie uns die Zeitung überschreiben. Andere, wie ich, gehen jedoch noch weiter: wir sagen, dass wir die Herstellungsräume besetzen sollten und die Produktion unter eigener Kontrolle wieder aufnehmen sollen – ganz egal, was die Bosse sagen.

Am Anfang waren diejenigen, die sich für Produktion unter Kontrolle der Arbeitenden einsetzten, noch eine kleine Minderheit – aber jetzt ist das anders. Nicht, weil wir alle auf einmal revolutionär geworden wären, sondern weil die ArbeiterInnen-Kontrolle für uns zu einer Notwendigkeit geworden ist und sich als einziger Weg offenbart, zu überleben. Die meisten von uns sind nicht revolutionär. Bis vor ein paar Monaten lebten wir normale Leben als Teil des Mittelstandes, bis dann alles regelrecht “explodierte”. Wir leben eben unter extremen Bedingungen, die auch unsere lösungsansätze extrem werden lassen.

Was bedeutet dir die Erfahrung, die du bei Eleftherotypia machst?

Wir sind fähig, alle Entscheidungen selbst zu treffen. Wir haben bewiesen, dass wir die Zeitungsherstellung ohne unsere Bosse – auf demokratische Art und Weise – leiten können. Diese ganze Erfahrung ist in Griechenland etwas Neues. Zuvor hatten wir alle zwei Jahre eine Gewerkschaftsführung gewählt und alle Entscheidungen ihr überlassen. Aber nun wissen wir, dass wir unsere Leben in die eigenen Hände nehmen können.

Diese Ausrichtung ist in der Griechischen Linken noch nicht verallgemeinert. Die größte Partei, die links der Sozialdemokratischen Partei (PASOK) steht, ist die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die sich einen Dreck um uns schert. Sie unterstützen zwar andere Streiks, wie z.B. den bei Hellenic Steel, der jetzt seit 5 Monaten anhält, aber sie fangen nicht damit an, weiterführende Gespräche anzustoßen und über ArbeiterInnen-Kontrolle zu reden. Sie befürchten eben, ihnen würde die Kontrolle entgleiten. Doch es gibt in der radikalen Linken ein paar Parteien, die uns unterstützen. SYRIZA ist eine davon, aber auch sie sind in ihrer Perspektive uneinig.

Meiner Meinung nach kann Griechenland die Krise nicht auf einer rein nationalen Ebene überstehen. Wir brauchen eine internationale Perspektive, um die sogenannten “lösungen” zu bekämpfen, die die KapitalistInnen aus ganz Europa vorschlagen. Wir brauchen internationale Solidarität und einen gemeinsamen Kampf, der beides kann: uns lösungen für unsere täglichen Kämpfe aufzeigen, der aber auch die Perspektive mit einschließt, wie die KapitalistInnen für ihre Krise selbst bezahlen. So wie es für das Kapital kein Vaterland gibt, so gibt es auch für uns (als Arbeitende) keines.

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