FT-CI

Risse im System

18/06/2009 Editorial

Weder die betäubenden 60 Jahre-BRD Feiern unter dem Brandenburger Tor, noch Freibier und Würstchen am ersten Mai, altbekannte Sprüche im Superwahljahr oder neu entdeckte Ohnesorg Mörder können uns darüber hinweg täuschen: die Krise zerreist allmählich die Ruhe im Land.

Hohe Produktionsrückgänge, starker Abfall des BIP, 8,6% Arbeitslose, Kurzarbeit und Werksschließungen bringen die „Lokomotive“ Deutschland zum Bremsen. Ìber eine klare Antwort auf diese Krise ist sich jedoch selbst die Kapitalistenklasse nicht einig: keynesianische Maßnahmen, bürgerliche Verstaatlichungen oder der Ruf nach einer Rückkehr zu den Prinzipien der freien Marktwirtschaft geben sich die Hand. Diese Unstimmigkeiten spiegeln sich auch innerhalb der Parteien wieder: Die SPD befindet sich in einer Krise historischen Ausmaßes, die sich auch in den Europawahlen niederschlug. Abgeordnete der Linken, die keine lösung der Krise entwickeln konnte, verlassen die Partei. Selbst innerhalb der Union treten Interessenkonflikte auf – wir stehen vor einem brüchigen Parteiensystem und Rissen innerhalb der Kapitalistenklasse.

Eines ist bei allen bürgerlichen lösungsvorschlägen klar: Die Kosten der Krise sollen auf dem Rücken der Arbeiter abgeladen werden. Massenentlassungen und ewige Kurzarbeit betreffen vor allem die Arbeiter des Automobilsektors, die sich in den vergangen Monaten konsequent gegen ihre Opferung zu Gunsten der Kapitalisten werten. Arbeiterkämpfe wie im Mahle-Alzenau Werk zeigen, dass das deutsche Proletariat langsam seine Methoden radikalisiert und den Abwehrkampf anführen kann. Die Gewerkschaftsführungen jedoch, forcieren ihre Politik des „Betrugs und Verrats“ und sind immer noch in der Lage die anschwelende Wut und Unzufriedenheit der Arbeiter zu kontrollieren, notfalls auch durch die Androhung von Gewalt in den eigenen Reihen. Dies führt unweigerlich zu Widersprüchen zwischen Führung und Basis, ein weiterer Riss im sozialen System Deutschlands.

Wir denken, dass der Kampf für die politische Unabhängigkeit des Proletariats zunächst die Enttarnung der verbrecherischen Politik der Bürokraten der Gewerkschaften erfordert. Arbeiter anderer länder sind bereits einen Schritt weiter gegangen: so zeigt uns das Beispiel der Keramik-Fabrik Zanon aus Argentinien wie Fabrikkomitees die Bürokraten ablösen können um für die Produktion unter Arbeiterkontrolle zu kämpfen. Ein Arbeiter und Genosse der argentinischen Gruppe der Trotzkistischen Fraktion berichtet uns in einem Interview über die Erfahrungen der Selbstverwaltung und den Kampf um Verstaatlichung.

„Verstaatlichung“ tönt es auch in Deutschland und anderen ländern seit der Krise allenthalben. Doch bei bürgerlichen Verstaatlichungen, wie der neuen Einrichtung einer Badbank geht es nur um die Sozialisierung der Verluste, nicht der Gewinne. Ein Anführer der neuen Form von Verstaatlichung im 21. Jahrhundert ist der venezolanische Präsident Hugo Chavez, der durch den Einkauf zentraler Industrien schwelende Arbeiterkämpfe zu unterdrücken versucht und anstatt Unternehmer zu enteignen, horrende Summe an transnationale Unternehme zahlt, während das Land und seine Arbeiter weiter von der Krise gebeutelt werden.

Wie wir in unserem Leitartikel darstellen ist es ist Zeit auf internationaler Ebene ein kämpferisches Aktionsprogramm aufzustellen um die Krise diejenigen, die sie verschulden, zahlen zu lassen.

So auch im Bildungssektor: während alle Parteien mit Wahlversprechen über eine Erhöhung des Bildungsetats um sich schmeißen wird Studierenden und Schülern immer mehr bewusst, wer und was an den Universitäten und Schulen im Kapitalismus gefördert wird: eine „exzellente Elite“, die im Dienste der Bourgeoisie Wissen akummuliert. Die Privatisierung des Bildungssektors wird auf europäischer Ebene durch den Bolognaprozess vorangetrieben und Kinder der Arbeiterklasse und Migranten bleibt der Zugang zu höherer Bildung systematisch verwehrt. Doch selbst diejenigen, die diesen Zugang erreichen, können nicht selbstbestimmt lehren und lernen. Deswegen rufen wir zusammen mit allen progressiven Kräften dazu auf, sich am Bildungsstreik 2009 zu beteiligen und für eine freie Bildung auf die Strassen und in die Bildungseinrichtungen zu strömen. Diese Abwehr der Privatisierungsmaßnahmen formiert sich jedoch auch in anderen ländern Europas und der Welt, wie beispielsweise in Brasilien, wo sich Studierende notwendigerweise mit dem Kampf der prekarisierten Arbeitern der Universität von São Paulo solidarisierten und sich gemeinsam den harten Repressionen aussetzten. So ist es wichtig, sich auf internationaler Ebene zu vernetzten und zu solidarisieren, aber auch an den eigenen Universitäten die Augen für die Belange der Arbeiterklasse zu öffnen.
Harte Repressionsmaßnahmen erschüttern jedoch nicht nur ferne länder wie Brasilien oder Venezuela: Die deutsche Bourgeoisie bewies Anfang Juni einmal mehr ihre fremdenfeindliche Politik der harten Hand gegenüber Asylbewerbern, als sie in einer Massenabschiebung 100 Vietnamesen aus dem Land verwies und Demonstranten festnahm. Gleichzeitig zieht die deutsche Bundeswehr weiterhin in Afghanistan und dem Nahen Osten in den Krieg, den sie heuchlerisch „humanitärer Einsatz“ nennen. Die Militarisierung der Außenpolitik Deutschlands zielt darauf ab, mehr politischen und wirtschaftlichen Einfluss für Deutschland angesichts des wachsenden politischen und wirtschaftlichen Hegemonieverlusts der USA zu gewinnen. Doch auch der US-Präsident Obama schreitet in Sachen Kriegsführung weiter voran, indem er seinen „dritten Krieg“ in Pakistan plant.
Die Militarisierung nach Innen und Außen, sowie die Ankurbelung der Ausbeutungsspirale auf ökonomischem und sozialem Niveau können nur ein Ende haben, wenn wir gerade in Zeiten der Krise für eine Umgruppierung innerhalb der Avantgarde der Arbeiterklasse und der Jugend einstehen.
Wir, Revolutionäre von der Trotzkistischen Fraktion für den Wideraufbau der Vierten Internationale, sehen somit heute mehr denn je die Notwendigkeit und die Möglichkeit für den Aufbau einer marxistisch-revolutionären internationalen Strömung, die mit einem klassenkämpferischen Programm Ansätze entwickeln kann, um die Massen auf die bevorstehenden Kämpfe vorzubereiten und zu begleiten.

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